Psychopharmaka: oder die Angst vor sich selbst

Neue Zahlen, die gleichen Zielgruppen (nämlich diejenigen, die sich nicht so leicht einnorden lassen)  und immer wieder doch das alte Problem.


Der Arzneimittelreport 2013 der Barmer GEK fand u.a. heraus, dass viel zu viele Kinder und Teenager immer mehr Psychopharmaka zu sich nehmen. In den letzten 7 Jahren stieg die Verschreibung von Antipsychotika um glatte 41 Prozent, bei neuen Präparaten gab es sogar ein Plus von 129 Prozent.


Einerseits könnte man laut lamentierend fragen, wen das überhaupt noch überrascht. Wussten wir doch schon alles, heißt es in "eingeweihten Kreisen". Diese erörtern dann teils recht emotional Sinn und Unsinn der Indikation solcher Medikamente.


Andererseits was verschleiert diese Botschaft der GEK? Man kann die ansteigende Verschreibung solcher Medikamente vor allem bei Kindern und jungen Menschen auch als Ausdruck von Hilflosigkeit und Angst auf Seiten der Erwachsenen verstehen. Als Angst vor den eigenen Kindern und deren Eigen-Sinn.


Und als Angst vor sich selbst, als Angst vor dem Ungewissen, das im eigenen Körper vor sich geht und zu dem der eigene Körper fähig ist. Fähig, weil er (zum Glück) auch autonom reagiert.  Wir atmen von selbst, weil die Atmung einfach so ist wie sie ist. Wir verdauen so wie wir es zu tun vermögen. Und können dies genießen oder mit Blähungen dann doch irgendwie verschmerzen. Wir gehen auf eine Art und Weise, die für jeden von uns typisch ist. Inzwischen weiß man, dass der persönliche Gang so individuell ist wie ein Fingerabdruck. Das macht unter anderem Leben / Lebendigkeit aus.


Man kann das Leben, den emotional und expressiv sichtbaren Körper nur bedingt kontrollieren. Wäre das anders, würden wir zu Automaten mutieren. Wäre das anders, könnten wir uns nicht mehr an der Anmut menschlicher Bewegung erfreuen oder den so wunderbaren Glanz in Augen des Gegenübers genießen.


Man kann aber Angst vor dem Erleben solcher Prozesse und Phänomene im eigenen Körper haben. Eine Angst, die, weil so basal und unerklärlich, abgewehrt, verdrängt, auf jeden Fall ruhig gestellt werden muss. Alles mit dem Ziel, damit wieder Ruhe im eigenen Karton ist.


In der Körperpsychotherapie sprechen wir in diesem Zusammenhang von der Angst zu fallen, der Angst innerlich emotional loszulassen. Von der Angst vor dem Erleben (halb-) autonomer Vorgänge im eigenen Körper.


Ich verstehe die verstärkte Verschreibung von Psychopharmaka bei Kindern auf diesem Hintergrund auch als hilflosen, letztendlich untauglichen Versuch, die Augen vor der eigenen Angst zu verschließen.


Werde in einem weiteren Beitrag dies an konkreten Beispielen aus den Bereichen Bundesligafußball, Spitzensport (DSB) sowie Medizin erläutern.