Geburtstagsgrüße an Luc Ciompi zum 90.

Lieber Luc,


zu Deinem Geburtstag wünsche ich Dir alles erdenklich Gute. Mögest Du weiterhin der engagierte und streitbare Vorkämpfer für eine soziale Psychiatrie und gegen simplifizierende Konzepte psychischer Prozesse bleiben. Unsere gemeinsame Geschichte reicht ja bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts (wie unendlich fern das klingt) zurück. Du hattest damals in der Psyche einen Artikel publiziert, in dem Du das Modell der Affektlogik skizziertest. Ich hatte spontan das Gefühl, einen Geistesverwandten entdeckt zu haben und Dir einen Text von mir zum selben Thema geschickt (den niemand publizieren wollte). Wir kamen ins Gespräch, trafen uns, tauschten Ideen aus. Wie wichtig und ungewöhnlich das für mich war, hast Du wahrscheinlich selbst gar nicht in dem Maße bemerkt: Da war ein Universitätsprofessor, Direktor eine Uni-Klinik, der – tatsächlich! – mit einem vollkommen unbekannten Assistenzarzt einer ebensowenig bekannten oder profilierten psychiatrischen Anstalt auf Augenhöhe fachliche Diskussionen führte. Mich hat das nicht nur mit – bis heute währendem – Dank erfüllt, sondern auch ermutigt, Gedanken und Ideen, die mir sinnvoll erschienen, weiter zu denken, auch wenn ich mit ihnen in meiner unmittelbaren Umgebung keinen Anschluss fand. Ohne Ansehen des Status oder des Alters hast Du Deine Aufmerksamkeit allein auf die fachliche Auseinandersetzung gerichtet. In der Hinsicht bist Du mir stets ein leuchtendes Vorbild für das Praktizieren einer sachorientierten Streitkultur – die das Salz in der Suppe der Wissenschaften ist – gewesen (zumal wir später dann ja in einigen Punkten durchaus unterschiedlicher Meinung waren). Das war ein kurzer Blick auf die Gründe meines sehr persönlichen Danks. Es wäre objektiv sicher viel wichtiger, Deine Verdienste um die Entwicklung von Theorie und Praxis unseres Fachgebiets (z.B. Soteria) zu betonen, aber ich denke und hoffe, dass dies die anderen Gratulanten zur Genüge tun. Auf jeden Fall freut mich – vor allem für die Szene und die Kollegen – dass rechtzeitig zu Deinem Geburtstag auch die „Affektlogik“ wieder neu aufgelegt worden ist, denn dieses Buch ist m.E. eines der wichtigsten im psychiatrisch-psychotherapeutischen Feld der letzten 50 Jahre.


Nochmals alles Gute und Danke, herzlich,


Fritz B. Simon