Gespräch mit Marion Lockert über „Perlen der Aufstellungsarbeit"
Marion Lockert ist die Herausgeberin eines außergewöhnlichen Arbeitsbuches für systemisch Praktizierende. Die soeben erschienenen „Perlen der Aufstellungsarbeit" enthalten 105 Tools von 46 ausgewiesenen Experten der Aufstellungsarbeit. Das Buch wird von der Deutschen Gesellschaft für Systemaufstellungen (DGfS) nachdrücklich zur Lektüre empfohlen. Hier das Gespräch mit der Herausgeberin:

Das Zusammenführen so vieler Fachkollegen, Themen und Beiträge ist eine Aufgabe, die Sie als eine bemerkenswerte Netzwerkerin ausweist. Als Herausgeberin haben Sie keinen Kommunikationsaufwand gescheut, um dieses – übrigens herausragende – Buch entstehen zu lassen. Wäre es nicht einfacher gewesen, es selbst zu schreiben?
Marion Lockert: 
Vielen Dank für das Kompliment! Für dieses Kompendium war es mir wichtig, eine möglichst breite Palette an unterschiedlichen Ansätzen der Aufstellungsarbeit zu präsentieren – und zwar von praxiserprobten Experten ihrer Aufstellungsvariante. Auch wenn mein Aufstellungsrepertoire von Organisationsaufstellungen über Familien-, oder wie ich es lieber nenne, Lösungsaufstellungen, bis hin zu spirituellen Aufstellungen reicht: Alleine hätte ich diesen großen Fächer profunder Tools so nicht aufspannen können. Und es sind schöne Synergien daraus entstanden. 

Was würden Sie als den roten Faden bezeichnen: Die Aufstellungsarbeit oder der systemische Ansatz in der Aufstellungsarbeit oder etwas ganz anderes?
Marion Lockert: Ich bin bei der Konzeption des Buches vom Curriculum der Ausbildungsrichtlinien für Systemaufsteller nach unserem Fachverband, der Deutschen Gesellschaft für Systemaufstellungen DGfS e.V. ausgegangen. Die Intention war, für alle Ausbildungsinhalte „Stoff“ zu liefern, der Ausbildungen noch lebendiger und variantenreicher sein lässt – zum Nutzen von qualifizierten Praktikern. Dass dabei automatisch auch jede Menge Übungen und Aufstellungsformate zusammengekommen sind, die in Coaching, Training und Aufstellungsseminaren Platz haben, machte das Vorhaben doppelt reizvoll.

Was erhält der praktizierende Aufstellungstherapeut, was er in einem Fachbuch zu seinem Arbeitsschwerpunkt nicht ggf. sogar in größerer Verdichtung erhalten würde? Worin besteht der „Mehrwert“ für den fachlich geschulten Leser?
Marion Lockert: Zunächst findet der Systemaufsteller eine gut strukturierte Sortierung der Übungen vor. Zur leichteren Handhabung fügte ich zudem eine Tabelle hinzu, nach der jedes Format auch anderen Kategorien passend zugeordnet sind. So gewinnt die Leserin schnell einen Überblick über das Angebot bezüglich des Gesuchten. Und zu Beginn jedes Beitrags finden Sie Informationen über Ziele, Einsatzform, Teilnehmerzahl, Dauer, Raum- und Materialbedarf vor, die Auswahl und Konzeptualisierung leicht machen. Zudem kenne ich keine Veröffentlichung, die eine derartig weite Spanne von Arbeitsansätzen zeigt. Aufgrund der hohen Kompetenz der Autoren, es sind fast ausschließlich Lehrtrainer und Lehrtherapeuten, lösen die Tools gleichzeitig einen hohe Anspruch ein. Aber ich habe auch einige Einsteigerübungen aufgenommen. So ist praktisch für Jeden und Jede etwas dabei und wir bieten damit „Breite und Tiefe“.

„Perlen der Aufstellung“ gibt den State of the Art der Aufstellungsarbeit wieder. Zeichnen sich darin aus Ihrer Sicht bereits Tendenzen ab, wohin sich die Aufstellungsarbeit in Zukunft entwickeln wird, und wären Sie bereit, eine Prognose dazu abzugeben?
Marion Lockert: Auch wenn das vorab von mir gar nicht bewusst intendiert war, ist genau das dabei herausgekommen: State of the Art – zu meiner großen Freude! Ich glaube, dass der zweiten Generation der Aufsteller mit der Emanzipation von ihren „Altvätern und -Müttern“ der Mut gewachsen ist, viel experimentierfreudiger zu werden, ganz neue und individuellere Wege zu gehen. Die Aufstellungsarbeit wird also bunter, wird immer mehr andere therapeutische oder persönlichkeitsentwickelnde Ansätze integrieren, spannende und nützliche Synthesen hervorbringen. Somit kann diese im Wortsinne wunder- und kraftvolle Methode auch in vielfältigeren gesellschaftlichen Kontexten als eine immer selbstverständlicher genutzte Form der Lösungsfindung wirken.
Die Aufstellungsarbeit war in diesem Frühjahr einer der Themenschwerpunkte des Carl-Auer Verlagsprogramms. Neben Ihrem Buch erschien llke Crones „Das vorige Jetzt – Familienrekonstruktion in der Praxis“, indem sie das interessante Feld der transgenerationalen Themen vorgestellt, aber auch Fragen zur Wirksamkeit und Praxis der Familienrekonstruktion stellt. Ermutigen Sie jüngere Kollegen, eigene kritische Fragen zu entwickeln und in den Ring zu werfen? Was würden Sie jungen Praktizierenden – außer Ihrem Buch – gern mit auf den Weg geben? 
Marion Lockert: Kritik und Skeptizismus sind, wenn von freundlicher Gesinnung getragen, äußerst fruchtbar. Wo wären wir, wenn nicht zu allen Zeiten Menschen Bestehendes hinterfragt hätten? Also nur zu! 
Und meine Empfehlung? Die systemische Aufstellungsarbeit verlangt von ihren AnwenderInnen eine besondere Persönlichkeitsreife. So ist es also meiner Meinung nach zutiefst notwendig, die eigene Persönlichkeitsentwicklung, insbesondere das Thema Führen und Geführtwerden – auch im spirituellen Sinne – zu erkunden. Ebenso sich selbst immer wieder zu hinterfragen, ohne in Selbstverleugnung zu verfallen ist für jeden, der mit Menschen arbeitet, essentiell. Ich wünsche den Praktizierenden der Aufstellungsarbeit daher eine konstruktive Fehlerkultur. Und das Vertrauen darin, dass energetische Verstrickungen auch auf unterschiedlichsten Wegen immer nach Lösung streben.

Carl-Auer-Literaturtipp:
Marion Lockert (Hrsg): 
„Perlen der Aufstellungsarbeit – Tools für systemisch Praktizierende“