Gut ein- und durchschlafen mit PEP?
„Bitte schlafen“ lautet der Titel eines neuen Buches, das sich – wenig überraschend, wenn man die Namen der Autoren liest, mit Klopftechniken zur Behandlung von Schlafstörungen beschäftigt. Gudrun Klein und Michael Bohne haben ein praxisnahes Manual für Betroffene geschrieben, das in wenigen Wochen erscheint. Wir haben die Autoren nach dieser neuen Methode befragt.


Herr Bohne, Sie gelten als Vorreiter der prozess- und embodimentfokussierten Psychologie (PEP), womit zum Beispiel Ängste, Phobien und sogar Süchte inzwischen therapeutisch gut behandelt werden können. Wie kamen Sie auf die Idee, für Menschen mit Schlafstörungen ein Manual bereitzustellen, um sich durch Klopfen selbst zu therapieren?

Michael Bohne: Also, hinter Schafstörungen können aus meiner bisherigen Erfahrung alle möglichen Gründe stecken. Somit war ich dann überrascht und positiv erstaunt, als mir Gudrun Klein mitteilte, dass sie mit PEP bei ihren schlafgestörten KlientInnen extrem gute Erfahrungen gemacht hat und die Klienten durchweg profitieren.

Gudrun Klein: Ich habe das Klopfen als sehr effektive Methode kennengelernt, um einen anderen Umgang mit belastenden Gefühlen und Gedanken zu finden. Das brachte mich auf die Idee, es bei meinen schlafsuchenden Patienten auszuprobieren. Denn nicht schlafen zu können, erleben die meisten als ausgesprochenen Stress. Der Erfolg hat mich anfangs selbst überrascht. Die Schlafsuchenden berichteten, dass sie oft nach dem Klopfen irgendwann wieder wach wurden und erstaunt feststellten, dass sie wohl eingeschlafen sein mussten.

Carl-Auer: Kaum jemand, der schlafen will, aber nicht kann, käme auf die Idee, bestimmte Punkte seines Körpers zu beklopfen. Man erwartet doch, dass sich dabei der gegenteilige Effekt einstellt, nämlich gesteigerte Wachheit. Sie empfehlen den Betroffenen außerdem, ganz bewusst an all das zu denken, was den Schlaf raubt. Warum?

Gudrun Klein: Das überrascht zunächst auch viele Schlafsuchende. Normalerweise empfiehlt man ihnen, an etwas anderes zu denken, mit unerwünschtem Nebeneffekt: Sie werden davon unruhiger und ärgern sich über sich selbst. Unser Ansatz ist, dass genau an das gedacht werden soll, was problematisch ist und gleichzeitig auf den eigenen Körper geklopft werden soll. Die Schlafsuchenden können bei ihren Sorgen bleiben, aber machen eine Kleinigkeit anders als bisher. Unser Tipp: Sie sind ja meist sowieso stundenlang wach, da können Sie auch für zwei bis drei Minuten etwas anders ausprobieren! Das Geniale ist, es wirkt. Man denkt an das Schlafproblem, spürt in den Körper, klopft und schläft einfach ein. Wer das einmal erfahren hat, ist in den nächsten Nächten motiviert, genau das zu machen, was sich zunächst paradox anhört, wie Ihre Frage nahelegt.

Carl-Auer: Vielleicht können Sie  uns noch etwas zur physiologischen Seite der Klopftechnik sagen. Welche Punkte werden angesteuert? Sind Klopfrhythmus, Häufigkeit oder Klopftempo für ein gutes Ergebnis wichtig? Wie wichtig ist das regelmäßige Training für den Erfolg der Therapie?

Michael Bohne: Es scheint nach allem, was wir wissen, nicht so sehr auf die konkrete Lage der Klopfpunkte anzukommen, als darauf, den Körper haptisch zu stimulieren, während man an ein belastendes Thema denkt. Selbstberührung reduziert aus Sicht der Hirn- und Haptikforschung Stress und Ängste. Man weiß auch, dass eine Erinnerungsspur immer dann am fragilsten ist, wenn wir sie wieder erinnern. Das machen wir uns zunutze und überfrachten während des Wiedererinnerns das Nervensystem des Klienten mit sehr vielen Stimuli (Klopfen, Augenbewegungen, humorvollen Interventionen, die Selbstbeziehung verbessernde Affirmationen, etc.). Dieses Vorgehen scheint den ehemals belastenden Themen die Intensität der negativen Emotionen zu entziehen. Wobei der Klopfrhythmus und das Klopftempo eine untergeordnete Rolle zu spielen scheinen. Als Wirkhypothesen kommen eher neurobiologische und neurohumorale Aspekte in Frage, wie z.B. die Erhöhung des Oxytocinspiegels durch die vielen haptischen Stimuli.

Frau Klein: Interessant ist auch, dass das Klopfen in der Nacht häufig ein Gähnen auslöst. Das macht physiologisch nach der vorangegangenen stressbedingten Anspannung der Gesichtsmuskeln eine tiefere Entspannung möglich. Das Gähnen gilt bei allen Menschen als Zeichen von Müdigkeit. Vergeblich Schlafsuchende spüren diese Müdigkeit oft nicht mehr, sie liegen hellwach im Bett. Das Erspüren von Müdigkeit löst eventuell im Gehirn ein Umschalten aus, ein Umschalten auf den Einschlafmodus, was vorher nicht möglich war. Hier wäre weiterführende Forschung sehr interessant.

Carl-Auer: Sie räumen in Ihrem Buch mit einigen Irrtümern auf. Interessant sind auch praktische Tipps, wie zum Beispiel der Hinweis darauf, dass die Dauer einer einzelnen Schlafphase nichts darüber aussagt, ob in Summe genug oder zu wenig geschlafen wurde. Dafür werden sämtliche Schlafphasen eines Tages – einschließlich ‚Siesta‘ und ‚Nickerchen vor dem Fernsehgerät‘ – addiert. Wer das nicht weiß, wähnt sich womöglich an Schlaflosigkeit leidend, obwohl er eigentlich genug schläft. Was gibt es noch zu beachten? 

Frau Klein: Der
 Schlaf verändert sich während des ganzen Lebens. Bei Kleinkindern ist uns das noch bewusst, bei Jugendlichen schon nicht mehr. Aber auch im Erwachsenenleben verändert sich das Schlafbedürfnis und viele Menschen denken, sie hätten ein Schlafproblem, weil sie früher anders schliefen als heute. Es ist hilfreich, sich dem Lebensrhythmus auch im Schlaf anzupassen. Wir akzeptieren ja auch Falten als Ausdruck des Älterwerdens, ebenso können wir überprüfen, ob der veränderte Schlaf ein Anzeichen einer neuen Lebensphase ist.

Carl-Auer: Abschließende Frage: Ist der Einstieg in die Klopftechnik eine gute Grundlage, um auch andere (Alltags-)Beschwerden in den Griff zu bekommen. Was empfehlen Sie? 

Frau Klein: Im Buch beschreiben wir, dass der Schlaf oft durch Belastungen des Tages beeinträchtigt ist. Es lohnt sich, das Klopfen am Tag zu erlernen. Damit  bewältigt man dann so nebenbei auch viele Alltagsprobleme, welche einen in der Nacht dann gar nicht mehr wachhalten werden.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Carl-Auer-Literaturtipps:
Gudrun Klein, Michael Bohne: „Bitte schlafen!– Klopfen als Selbsthilfe bei Schlafstörungen“ Jetzt vorbestellen!
Michael Bohne: „Bitte klopfen!– Anleitung zur emotionalen Selbsthilfe“
Michael Bohne, Matthias Ohler, Gunther Schmidt, Bernhard Trenkle (Hrsg.): „Reden reicht nicht!? – Bifokal-multisensorische Interventionsstrategien für Therapie und Beratung“