Rückrufaktion: Therapie schwuler Männer

Durch eine ungewöhnlichen Reue-Aktion hat Robert L. Spitzer, bekannt als maßgeblicher Autor des psychiatrischen Diagnose-Inventars  DSM-III und IV und eine Alpha-Figur der US-Psychiatrie, jetzt die Fachwelt erstaunt. Spitzer hatte 2001 eine Studie publiziert, in der er 200 ehemals homosexuelle Männer interviewte, die durch Therapie (im Original „reparative therapy“) von ihrer homosexuellen Orientierung abgekommen sein sollten.


Es regnete damals einerseits giftige Attacken gegen die schwulenfeindliche Implikation der Studie, andererseits gab es auch Unterstützung durch das (so etwas gibt es!) Ex-Gay-Movement ehemalig schwuler Männer.


Das Vertrackte ist dabei, daß Spitzer selbst maßgeblich dazu beigetragen hatte, daß die Homosexualität in den frühen 1970er Jahren als Krankheitskategorie abgeschafft wurde. Obwohl selbst nicht offen homophob, blieb er doch trotzig bei seinen Daten: Empirie darf sich nicht der Gesinnung unterordnen.


Nun entschuldigt sich Spitzer elf Jahre später öffentlich beim Herausgeber der „Archives of Sexual Behavior“, Ken Zucker. Er habe schwulen Männern kein Leid zufügen wollen. Die „reparative therapy“ funktioniere wohl doch nicht. Nicht nur die New York Times, die 2001 eine Titelstory daraus gemacht hatte, berichtet vor zwei Wochen der „Apology“, alle wichtigen Print-Medien folgen. Es ist eine Story wert.


Aber was Spitzer bewegt hat, bleibt unklar. Vor allem angesichts der selbst eingestandenen methodischen Fehler, die damals schon sichtbar waren: fast alles waren Telefoninterviews, sämtlich Selbsteinschätzungen ohne Experten-Urteile, und die „Therapien“ waren meist religiöse Einflüsterungen von Kirchenleuten („pray away the gay“).


Vielleicht hat sich ein alter Mann von einer Verfehlung befreien wollen. Kann sein. Auf jeden Fall ist ihm eine doppelte PR-Aktion gelungen. Erst publiziert er eine methodisch fragliche Studie: Hype 1. Dann widerruft er sie: Hype 2.


Aber wenn es einer inhumanen Therapie die letzte Kraft nimmt, ist die Spitzer-Show doch für etwas gut.