"Shades of Grey" und Heinz von Foerster

Die wunderbar tendenziöse Aufforderung des Kybernetikers Heinz von Foerster ist ein systemisches Mantra geworden: "Handle stets so, daß die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird!"


Jetzt reitet der sensationelle Verkaufstrend von „Shades of Grey“ auf den ersten Blick in die andere Richtung: "Wähle deinen Dom stets so, daß er die Zahl deiner Wahlmöglichkeiten genau so einengt, wie es dir beliebt!" „Topping from the bottom“ heißt das auf bdsm-isch. Rein entscheidungslogisch wäre die Frage, ob das das nun die  Wahlmöglichkeiten des/der Sub erhöht oder verringert. Es kommt auf die Ebene an: Verringert auf der Entscheidungsebene 1. Ordnung (ich gebe mich in seine Hand), erhöht auf der Ebene 2. Ordnung (ich entscheide freiwillig, mich in seine Hand zu begeben). Dem Foersterschen Imperativ würde die Protagonistin also auf der 1. Ebene widersprechen, auf der 2. Ebene folgen.


Soweit die logische Antwort.  Psychologisch ist der Witz an der Hauptfigur Anastasia Steele, daß sie im dauernden inneren Zwiegespräch zwischen den beiden Ebenen oszilliert, einmal „Opfer“ ihrer Abhängigkeitswünsche und das andere Mal Verantwortliche ihrer Entscheidung zur Abhängigkeit zu sein. Nicht nur innerlich, sondern auch in der Beziehung zum dominanten Partner  Christan Grey bleibt sie nicht in der submissiven Position, sondern springt zwischendurch kurzfristig in die überlegene Rolle und toppt den Dom, sobald sie seine weichen Seiten und Facetten seiner Opfer-Biographie erkennt.


Wenn man das Buch als Text zur ambivalenten Dramaturgie von Hingabe- und Kontrollwünschen liest, ist es nicht so schlecht, wie der einhellige Chor der Literatur-Rezensenten möchte.