"Sich erklären"

 Noch einmal Brüderle. Er solle sich entschuldigen, meinen manche Diskutanten. Das finde ich weniger interessant als die Aufforderung, er solle „sich erklären.“ Was ist damit gemeint im Gegensatz zu einer Entschuldigung?


Eine Erklärung geht nicht von vornherein von einer „Schuld“ aus. Wer sich erklärt, steht für seine Handlungen und Motive grade, ohne sich wie ein Sünder einer Normverletzung zu bezichtigen. Er könnte erklären, warum er im Rahmen seiner eigenen Maßstäbe etwas getan oder gesagt hat. Das wäre ein Bekenntnis mit aufrechter Haltung, nicht mit gebeugtem Haupt wie beim Schuldeingeständnis. Brüderle könnte zum Beispiel der Ansicht sein, der Dirndl-Spruch sei von ihm wirklich als Kompliment gemeint gewesen. (Frau Leutheuser-Schnarrenberger bietet ihm diese Version in der Süddeutschen Zeitung sogar an, als herzlich bayrische Respektsbezeugung gegenüber einer Frau). Es hätte Format, so etwas mit Selbstrespekt zu vertreten!


Das wäre ein guter Beitrag zur Meinungs-Vielfalt in der Sexismus-Debatte, die in den letzten Tagen allseits gefordert wird. Statt einen simplen Empörungs-Verniedlichungs-Streit zu führen, könnte ein solches „Sich erklären“ eine viel spannendere Diskussion befördern über die Mehrdeutigkeit von Sprache, über die Ambivalenz sexueller Grenzverletzungen, über den Übergang von flirtendem Spiel zu belästigendem Ernst, über Männersprache und Frauensprache, über Schablonen von Tätern und Opfern.