Verlust-Aversion: Warum sexuelle Konflikte nicht mit Kompromissen gelöst werden können

Daniel Kahneman, der Ökonomie-Nobelpreisträger, hat in seinem anregenden Buch über intuitive Entscheidungsheuristiken (eben auf deutsch erschienen) der Verlust-Aversion einen hohen Stellenwert bei irrationalen Entscheidungen zugeschrieben.


Verlust-Aversion erklärt, warum bei gleich wahrscheinlichen Aussichten von Gewinn und Verlust die Entscheidung meist danach getroffen wird, daß der mögliche Verlust vermieden wird, selbst wenn der mögliche Gewinn höher ausfiele. Beispiel: Würden Sie bei einem Spiel mit folgenden Regeln teilnehmen: Wenn bei einem Münzwurf 150€ bei Zahl gewonnen werden, aber 100€ bei Wappen verloren werden? Die meisten Menschen entscheiden sich dagegen. Die Angst vor Verlust von 100€ ist die stärkere Motivation als die Hoffnung auf Gewinn von 150€.


Das ist eine gute Erklärung, warum bei sexuellen Konflikten Kompromisse nie klappen.


Beispiel (von mir, nicht von Kahneman): Er will täglich Sex, ihr reicht einmal im Monat. Er fühlt sich hingehalten, sie sich bedrängt. Sie könnten sich rechnerisch auf  den Mittelwert, also einmal alle zwei Wochen einigen. So bekäme er mehr, und sie würde sich weniger bedrängt fühlen (win-win). Dieser Gewinn zählt aber subjektiv für beide weniger, weil für ihn im Vordergrund steht, daß er immer noch nicht hat, was er will und sie zähneknirschend nachgeben müsste (lose-lose). Der Konflikt folgt immer der Doppel-Verlierer-Linie: Nicht nachgeben ist wichtiger als einen kleinen Gewinn einstreichen.


Kahneman mag recht haben, daß das irrational ist. Aber er unterschätzt, wie groß die Befriedigung ist, recht zu haben und darunter zu leiden, obwohl es nichts nützt. Hauptsache, dem Partner geht es auch nicht besser. Masochistischer Triumph.