Bornierte alte Männer

In Berlin gibt es gegenwärtig einen großen, öffentlich ausgetragenen Streit darüber, dass nach 25 Jahren die Intendanz der Volksbühne von Frank Castorf beendet werden soll.


An erster Stelle stehen hier Claus Peymann und Jürgen Flimm, zwei andere Berliner Intendanten (BE und Staatsoper), die in offenen Briefen und Artikeln Tim Renner, den Kulturstaatssekretär, der Chris Dercon, einen den beiden nicht bekannten Menschen, zum neuen Intendanten berufen hat, disqualifizieren. Dabei argumentieren sie mehr ad personam (Renner) als sachbezogen.


Die beiden, die sich mal zur Avantgarde des Theaters zählen durften, agieren jetzt genauso wie die alten Männer, die sie vor 40 der 50 Jahren bekämpften.


Ich finde das tragikomisch, ehrlich gesagt.


Allerdings wundert mich das nicht, da ich beide schon aus nächster Nähe habe agieren sehen. Ihre Eitelkeit scheint mir ziemlich groß. In der Hinsicht unterscheiden sie sich wahrscheinlich nicht sehr von den alten Herren, die sie damals bekämpft haben.


Ob der Nachfolger von Castorf nun ein Gewinn für Berlin ist, kann ich persönlich nicht einschätzen (aber die beiden und - fast - alle anderen, die sich zu ihm geäußert haben, auch nicht, wie sie ohne sich zu schämen bekennen). Mich interessiert eher das Muster der Konservativität, das sich hier zeigt bzw. von diesen bekannten Regisseuren reinszeniert wird.


Ein Muster, das sich natürlich auch in unserem Feld zeigt. Vor ein paar Tagen war ich bei dem Vortrag eines Kollegen, eines marxistischen Psychologen (natürlich auch ein alter Mann), der ziemlich frustriert die Wirkung des Neokonservativismus und des Marktfundamentalismus auf die Psyche des Marktteilnehmers beschrieben hat. Ein einziges Gejammere, wenn auch auf hohem Niveau. Da er dasselbe schon vor vierzig Jahren erzählt hat, ohne dass die Gesellschaft auf ihn gehört hat, wirkte er etwas beleidigt. Damals wie heute keine irgendwie tiefer gehende Analyse, keine Modelle, die genutzt werden könnten, um konkrete Handlungsstrategien daraus abzuleiten. Letztlich dasselbe Muster wie bei Peymann, der immer noch den Brecht spielen lässt, um zu zeigen, was alle schon wissen: wie der Kapitalismus funktioniert.


Öd. Öd. Öd.


Systemische Ansätze finde ich persönlich ja so inspirierend, weil sie die Möglichkeit bieten, sich etwas Neues einfallen zu lassen, um alt-bekannte Fragen zu beantworten; weil sie nicht verbittert darüber, dass alles so ist, wie es ist, zu resignierter Erstarrung einladen, sondern lösungsorientiert und lustvoll dem Leben zugewandt sind - meistens wenigstens (was natürlich überhaupt nicht verhindern kann, dass bornierte alte Männer wie ich immer wieder dasselbe erzählen).