Erkennungsmarker für Erfolg in der Physiotherapie

Livia Haupter


Als Physiotherapeutin bin ich essentiell auf die Mitarbeit und Motivation des Patienten, sowohl während als auch außerhalb der physiotherapeutischen Behandlungszeit angewiesen. Die momentane Situation zwingt mich bei gesetzlich Versicherten mit einer Verordnung über Krankengymnastik eine Regelbehandlungszeit von 15 Minuten, 6 mal im vorgegebenen Abstand von zweimal pro Woche einzuhalten. Die Heilmittelrichtlinien erlauben weitere Verordnung von Krankengymnastik, falls diese erforderlich ist. Doch die Kassen sind leer und ich muss davon ausgehen, ohne weitere Verordnung den größtmöglichen Erfolg zu erzielen.


Die Installation eines tragfähigen Arbeitsbündnisses geht mit einer Beschreibung einer Zielkonstruktion einher, die in einen von mir lösbaren Auftrag mündet.

Die Patienten äußern auf meine Frage, was sie sich als Ziel der 1. Behandlung erhoffen, meist unisono „Ich will meine Schmerzen loskriegen!“

Diese Aussage ist auf der Handlungsebene weder ein Ziel noch ein Auftrag. Die Patienten erwarten, dass in der ersten Behandlung schon etwas passiert und ich muss geschickt weitere Fragen anbringen. Zuviel der Fragen führen zu einer häufigen Verwechslung zwischen Physiotherapie und Psychotherapie.


Auf die nächste Frage „Was soll anstelle der Schmerzen sein?“

können meine Patienten nicht immer sofort antworten. Zu fremd ist diese Frage und viele haben keine Vorstellung davon, was ohne Schmerzen oder trotz Schmerzen möglich sein kann.

Mit etwas systemischer Hartnäckigkeit höre ich dann die ersten wagen Zielkonstruktionen wie: „Ich möchte wieder tanzen gehen, rasch wieder arbeiten können oder nach der Gipsabnahme baldmöglichst wieder Klavier spielen“.


Bei der Inspektion oder einem vom Patienten ausgeführten Bewegungstest führe ich den Erkennungsmarker für Erfolg ein. Ich muss wissen, woran beide, aber vor allem der Patient leicht und locker erkennt, dass das Ziel erreicht ist oder dass er diesem bereits innerhalb der ersten Behandlung näher gekommen ist.

Wobei das Ziel in zwei Ebenen geteilt wird: Die 1. Ebene wäre eine Handlung (z.B. tanzen gehen), die 2. Ebene ist der Befund am Körper (z.B. die Lendenwirbelsäule lässt sich leichter nach hinten bewegen). Der Effekt der Probeinterventionen, sei es dass sich der Patient durch wiederholte Bewegungen selbst behandelt, sei es dass ich durch meine Hände eine Intervention (Behandlung) am Körper des Patienten vornehme, wird durch anschließendes Testen des körperlichen Erkennungsmarkers (2. Ebene) überprüft.

Auf der 1. Ebene ist eine zirkuläre Frage sinnvoll: „Jetzt ist Ihre Einschätzung gefragt. Wenn Sie nun mehrmals am Tag diese Bewegung wiederholt durchführen, bringt Sie das Ihrem Ziel näher, wieder mit Freude tanzen zu gehen?“


Diese Vorgehensweise hat auch noch den positiven Nebeneffekt, dass der Fokus auf das gerichtet wird, was wirkt und weniger Energie in die so genannte Ursachenforschung gebunden wird. Der Betreffende behält die Macht und Kontrolle über sich und was mit ihm passiert. Ich vertraue ihm durch die selbstständige Prüfungsmöglichkeit und dem ausgehandeltem Erkennungsmarker für Erfolg seine eigene Behandlung an, die er in der therapiefreien Zeit durchführen kann. Die manuelle Behandlung durch mich dient hier nur als Unterstützung, Katalysator oder Richtungshilfe. Die Erkennungsmarker für Erfolg sind aus meiner Sicht notwendig für die Bildung einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung und gleichzeitiger Motivation, auch kleine Veränderungen in die gewünschte Richtung zu beobachten und zu steuern.