Hat Gott Humor?

Selten habe ich mich über eine Gotteslästerung so amüsiert wie vor Jahren, als in der Titanic, der Satirezeitschrift, ein aus Weißblech geformtes Kruzifix gezeigt wurde, auf dem der damals in einer Recycling-Kampagne verwendete und an allen Plakatwänden prangende Slogan stand: „Ich war eine Dose!“


Natürlich habe ich mich damals schon gefragt, was Jesus dazu gesagt hätte.


Ich würde auf jeden Fall niemals an einen Gott glauben, der keinen Humor hat. Ja, ehrlich gesagt, zähle ich die Fähigkeit zur Selbstironie zu den göttlichsten Eigenschaften, die ich mir vorstellen kann. Aber hier liegt wahrscheinlich der Unterschied zwischen den Mohammed-Karikaturen und der von mir so geschätzten Dosenwerbung. Jesus ist „unser“ (westlicher, christlicher) Gottessohn, Mohammed ein fremder Prophet. Es macht eben einen Unterschied, ob man seine eigenen oder fremde Tabus bricht...


Gottesfurcht ist uns im Westen abhanden gekommen, Gott sei Dank. Keine Autorität ist vor kritischem Denken geschützt, was eigentlich ja die Qualitätsanforderungen an weltliche, geistige oder auch himmlische Autoritäten steigern sollte (und das in weiten Bereichen der Gesellschaft ja auch tut). Doch irgendwie scheinen im Bereich der Glaubens die Tatsachen diese Theorie Lügen zu strafen.


Wir leben in einer zunehmend globalisierten Welt, in der jeder mit jedem konkurriert. Offenbar hat sich dieses neoliberale Prinzip jetzt auch schon auf den Markt der Götter ausgewirkt. Da stellt sich die Frage, was denn eigentlich die Qualität solch eines Gottes ausmacht, die schließlich zu seinem Erfolg führt.


Heilige Schriften verkünden Offenbarungswahrheiten. Das ist es, was sie attraktiv macht. Eine höhere Autorität, die allen menschlichen Konflikten übergeordnet ist, hat potentiell eine Frieden stiftende Wirkung – aber nur, wenn sie allgemein akzeptiert ist, d.h. jeder sich ihr unterwirft. Ihre Funktion ist grandiose Komplexitätsreduktion. Zwei Millionen Menschen, meistens Jugendliche, beim Papstbesuch in Köln.


Gedruckte Wahrheiten haben meist zur Folge, dass die Weiterentwicklung oder Veränderung von Wahrheiten, die den Interpretationsrahmen des gedruckten Wortes überschreitet, nicht möglich ist. Das ist das Problem jeder an Schrift orientierten, fundamentalistischen Orthodoxie (ob in Texas oder in Teheran).


Wer sich nicht der Verkündigungswahrheit unterwirft, stellt das ganze, auf ungeprüfter und unüberprüfbarer Normativität beruhende Prinzip der Regelung sozialer Konflikte in Frage.


Langfristig kann man, glaube ich, ganz optimistisch sein. Kein Gesellschaftssystem, das auf Denkverboten beruht oder das Individuum dauerhaft kontrollieren will, hat bisher überlebt. Der Preis – ja, auch im ökonomischen Sinn – ist einfach zu hoch. Das gilt und galt auch für analoge christliche Kontrollversuche (Inquisition, Hexenverbrennungen etc.).


Nur Gesellschaftssysteme, in denen es erlaubt ist, sich über Gott (oder seine Vertreter auf Erden) zu stellen, ermöglichen es dem Menschen, seine eigenen Größenphantasien zu leben, zu überprüfen, um schließlich aufgrund eigener Erfahrungen zu der angemessenen Demut zu gelangen – oder auch nicht.


Darum zum Schluss ein Gebet (von Robert Gernhard, glaube ich):


Lieber Gott,

gib doch zu, dass ich schlauer bin als Du.

Darum preise meinen Namen,

denn sonst setzt’s was!

Amen!