Kriegsgeschwätz

Die Kriegsrhetorik erfreut sich im Moment großer Beliebtheit. "Krieg gegen den Terror" - so lautet die griffige Formel. Das mag zwar dem Gefühl vieler entsprechen, aber es ist weder sachlich richtig noch politisch sinnvoll.

Als erstes stellt sich die Frage, ob in der Auseinandersetzung zwischen europäischen Staaten (Frankreich an erster Stelle) und ein paar Amok laufenden Jungs aus der Pariser Vorstadt die Verwendung des Begriffs Krieg angemessen ist. Denn dieser Begriff ist problematisch, da er hier m.E. vollkommen unpassend ist (wie auch in Formeln und Proklamationen wie "Krieg gegen den Terror", "Krieg gegen die Drogen").

Wie läßt sich Krieg (aus einer systemtheoretischen Perspektive) sinnvoll definieren und von anderen Konflikten unterscheiden?, das scheint mir die zentrale Frage.

Krieg läßt sich im Anschluß an meinen

Lieblingskriegstheoretiker Martin van Creveld von anderen Konflikt dadurch unterscheiden, dass in ihm die beiden sich gegenüber stehenden Parteien gegenseitig ihr Überleben bedrohen, d.h. ihre Existenz bedrohen.

Das ist z.B. bei zwischenstaatlichen Kriegen der Fall oder bei Guerillakämpfen wie damals, als in Afrika und Asien Unabhängigkeitsbewegungen gegen die Kolonialherren entstanden.

Das ist bei den Jungs aus der Pariser Vorstadt, die sich im Bataclan in die Luft gesprengt haben, sicher nicht der Fall: Sie bedrohen nicht das Überleben Frankreichs und ihr eigenes haben sie eh schon aufgegeben. Die Existenz Frankreichs (oder Europas) wird auch vom IS nicht bedroht. Das hat auch die RAF nicht in der BR Deutschland getan.

Es ist daher wichtig, nicht jeden bewaffneten Konflikt oder gar jeden Kampft gegen irgendwas als Krieg zu bezeichnen. Es ist absoluter Schwachsinn, beispielsweise den "Krieg gegen die Drogen" zu erklären. Man hat da keinen vernichtbaren Gegner. Es macht auch keinen Sinn, dem Terror den Krieg zu erklären; wenn schon, dann könnte man höchstens den Terroristen den Krieg erklären. Aber da es sich hier um verstreute Individuen und nicht um eine Organisation als Überlebenseinheit handelt, dürfte dies auch Quatsch sein.

"Krieg gegen den schlechten Geschmack", "Krieg gegen Falschparken", "Krieg gegen das schlechte Wetter"...

Die Kriegsmetaphorik kann aber, wenn analog zu einem zwischenstaatlichen Konfikt reagiert und gekämpft wird, zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Das alles könnte dazu führen, dass alle Beteiligte denken, sie würden sich in einem Krieg befinden und so agieren, was dann möglicherweise wirklich zu einem zwischenstaatlichen Konflikt kommen könnte.

Gegen Terroristen wie in Paris muss es Polizeiaktionen geben. Es sind Verbrecher, mehr nicht.


Die an mittelalterlichen Vorstellungen von Gesellschaft orientierten Berserker in Syrien und im Irak sind ebensowenig als Kriegsgegner anzusehen, sondern auch hier bedürfte es eigentlich der Polizeiaktionen. Nur zeigt sich hier leider der Mangel an metastaatlichen Institutionen, die solch ein Mandat der Polizeiarbeit übernehmen könnten. Wenn es sie nicht gäbe, müsste man die UNO  erfinden (bzw. für ihr Funktionieren sorgen)... Im Idealfall hätte sie das Gewaltmonopol (aber davon sind wir ja leider noch weit entfernt).