McCain

Morgen wird die offizielle Trauerfeier für John McCain, langjähriger Senator und von vielen verehrter Vietnamkriegsheld, in Washington stattfinden. Die bei Beerdigungen üblichen (er kann schließich nichts mehr falsch machen) Lobreden auf den Verstorbenen werden von zwei Ex-Präsidenten, George W. Bush und Barack Obama gehalten (auf Wunsch des Verstorbenen), Donald Trump ist unerwünscht.


All dies ist eine hoch-symbolische Inszenierung, deren Bedeutung über persönliche Beziehungen und Sympathien/Antipathien hinausgeht. Denn McCain stand für ein anderes politisches System als es sich in den letzten Jahren in den USA entwickelt hat; es wird durch Donald Trump verkörpert.


In einem der Klassiker systemischer Literatur, dem erstmals 1951 erschienenen Buch "Kommunikation. Die soziale Matrix der Psychiatrie" (deutsch bei Carl-Auer) beschreiben die Autoren (Jürgen Rüsch und Gregory Bateson) den Unterschied zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Parteiensystem in etwa folgerndermaßen: In Europa gibt es Parteien, die für eine bestimmte Richtung oder Ideologie der Politik stehen. Die Fraktionen im Parlament stehen sich daher mehr oder weniger feindlich gegenüber und stimmen meistens geschlossen ab ("Fraktionszwang"). In den USA sind die ideologischen Grenzlinien nicht so klar, d.h. es gibt Fraktionen innerhalb der Parteien. Dadurch kommt es immer wieder - abhängig von den zu entscheidenden Sachfragen - zu Bündnissen über die Parteigrenzen hinweg.


John McCain und Edward Kennedy (der jüngste der drei Kennedy-Brüder) standen bei den beiden großen Parteien für diese Art der pragmatischen Kompromissfindung. Diese Zeiten sind seit etlichen Jahren vorbei. Angefangen hat diese Entwicklung (soweit ich es beurteilen kann) zum einen mit der zunehmenden Radikalisierung der christlichen Sekten und Kirchen, die nicht nur Abtreibungsärzte haben erschießen lassen, sondern versucht haben, auf alle Bereiche der Politik Einfluss zu nehmen; zum anderen war wohl das Urteil des obersten Gerichts, dass Unternehmen wie Privatpersonen Meinungsfreiheit genießen und daher soviel Geld, wie sie wollen, in politische Propaganda stecken dürfen, verantwortlich, für die zunehmende Polarisierung. Die finanziell gut gestützte Tea-Party organisierte den Widerstand gegen Obama, so dass McCain sich bemüßigt fühlte, eine Frau wie Sarah Palin zu seiner Vize-Präsidentschaftskandidatin zu machen (unverzeihlicher Opportunismus).


Die Parteienlandschaft hat sich inzwischen in einer Weise geordnet, die mit Motto umschrieben werden kann: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Oder auch: Wenn ich schon nicht weiss, wofür ich bin, so weiss ich doch, wogegen ich bin. Trump wurde von denen gewählt, die Hillary Clinton verhindern wollten.


Die Kompromissfähigkeit ist dabei auf der Strecke geblieben... Und damit eigentlich auch die Entscheidungsfähigkeit der politischen Institutionen. Die Gesetze Obamas werden von Trump wieder zurück gedreht, und wenn Trump nicht mehr im Amt ist bzw. ein Demokrat Präsident, dann werden wahrscheinlich die von ihm durchgesetzten Erlasse und Verordnungen, Gesetze und Mauern wieder abgeschafft.


Insofern ist die Tatsache, dass ein ehemaliger demokratischer und ein ehemaliger republikanischer Präsident die Grabreden für McCain halten und Trump nicht dabei sein darf, in erster Linie als Akt der Nostalgie zu betrachten und de facto eine Hinweis darauf, dass das alte - und alles in allem bewährte - Modell des US-Parteiensystems ebenfalls beerdigt wird.