Ziele

Letzte Woche hatte ich eine Buchvorstellung ("Wenn rechts links ist usw....") im tazcafé im Berlin. Dabei entwickelte sich eine angeregte Diskussion zur Frage, ob es sinnvoller ist, dass ein politisches System sich - wie ich es vertrete - negative oder positive Ziele setzt.


Mein Argument folgt dem Watzlawick'schen, der das "Utopie-Syndrom" für gefährlich hält, weil dabei meist versucht wird, Menschen zu ihrem Glück zu zwingen, so dass am Ende totalitäre Systeme die Folge sind.


Wenn man ein politisches System hingegen nicht auf einen konkret ausformulierten Sollzustand hin steuert, sondern sich in den poltischen Entscheidungen an einem befürchteten Soll-nicht-Zustand orientiert, dann entsteht m.E. ein humanerer Staat. Denn es ist zum einen viel leichter, sich darauf zu einigen, welche gesellschaftlichen Verhältnisse man nicht haben will (z.B. Kinderarbeit, Verhungerte auf den Bürgersteigen, Jugendarbeitslosigkeit usw.), statt einen Konsens über erstrebte Zustände herzustellen (alle sollen Klavier spielen).


Außerdem scheinen mir negative Ziele eher zur Logik evolutionärer Prozesse zu passen. Die sind ja generell nicht zielorientiert ("Fitness"), sondern zeigen lediglich, was nicht viabel war/ist und nicht mit dem Überleben vereinbar. Was überlebt, ist fit - deshalb ist der Zoo auch so voll und man kann darin nicht nur eine einzige optimierte Tierart bestaunen...


Wenn der Staat gewissermaßen die Leitplanken (=Grenzen) der Strassen vorgibt, auf denen gefahren werden kann, bleibt jedem die Wahl seiner Ziele frei.


Negative Ziele schließen nicht aus, dass Individuen oder irgendwelche Assoziationen Gleichgesinnter sich Ziele setzen, aber die bleiben ihre Privatsache. Und letztlich werden ja Ziele auch immer nur von denen erreicht, die sie anstreben.


Es geht - auch hier zitiere ich wieder Paul Watzlawick - um die Frage, ob "alles, was nicht erlaubt ist, verboten ist, oder alles, was nicht verboten ist, erlaubt ist".


Die zweite Variante ist in einem Staat, der sich und seine Gesetze an negativen Zielen orientiert, wahrscheinlicher als die erste. Er läßt mehr Freiheitsgrade und Entwicklungsmöglichkeiten als er einschrankt.


Ein Staat, der sich an positiven Zielen orientiert, wird früher oder später bei der ersten Variante landen, vermute ich, und den Freiraum seiner Bürger radikal einengen (müssen)...


Wichtig ist hier zu unterscheiden: Geht es um Staaten oder andere handelnde Einheiten. Als Individuum oder Organisation kann ich mir natürlich positive Ziele setzen. Staaten hingegen sollten nur Rahmenbedingungen festlegen...