Der Berliner Ampel-Zug lebt als Juxtaposition vom Überraschungsmanagement

Wenn Altmaier vom Ampel-Zug spricht, der jetzt losfährt, irritiert mich das ein wenig. Was ist ein Zug und was ist eine Ampel frage ich mich? Und was ist ein Ampel-Zug?


Nun, ein Zug wartet auf die Fahrgäste, sag ich mir. Er fährt dann irgendwann los und erreicht (anders als die Deutsche Bahn :-) ) pünktlich sein Ziel.


Eine Ampel ist eine sinnvolle Erfindung der sozialen Gemeinschaft und ein Regulativ, das den komplexen und dynamischen Verkehr regelt, so dass jeder zum Zuge kommt und dass keine Unstimmigkeiten sprich Unfälle entstehen. Der Alltag zeigt uns, dass sich nicht jeder an die durch die Ampel vorgegebene Regulierung hält. Mal fährt man bei Rot über die Ampel, wenn man sich sicher genug wähnt. Mal geschieht dies bei Rot-Gelb, wenn man noch einmal durchflutschen will. Mal bleibt man trotz Grün stehen, weil man noch kurz auf das Handy schaut.


Mal ist die Ampel aber auch länger in Rot-Stellung, was schon bei den wartenden Autofahrern zu gehörigem Unmut führen kann (je nach emotionaler Grundausstattung unterschiedlich). Einige schauen sich dann um, vermuten vielleicht einen Defekt im Ampelsystem und fahren dann ganz schnell, ohne dabei beobachtet werden zu wollen, die rote Ampel ignorierend einfach weiter. Mal wieder Glück gehabt, denken sie dann insgeheim.


Es gibt aber auch die Dauer-Gelb-Ampel. Sie signalisiert, aufgepasst. Da könnte ja was sein. Sonst gäbe es das Gelb ja gar nicht. Fahr vorsichtig, schau dich um und vergewissere dich, dass die Kreuzung auch wirklich frei ist. Einige verringern dann tatsächlich die Geschwindigkeit und / oder schauen sich genauer um, bevor sie weiterfahren. Andere wiederum beachten das Gelb überhaupt nicht und fahren einfach drauflos. Wenn ich das gelbe Ampellicht wäre, würde ich mir schon meine Gedanken über mich machen. :-)


Das intensive Grün versichert mir die freie Weiterfahrt und auch das Gefühl, Du hast wieder Verfügung über dein Fahrverhalten. Kannst Du doch weiterfahren oder einen kurzen Blick auf dein Handy werfen oder überlegen, ob Du nicht doch die Fahrtrichtung änderst. Der Korb von Wahl-Möglichkeiten macht einen dabei (gefühlt) frei. Schöpft man diese Wahlmöglichkeiten aus oder gibt sich ihnen hin, im Glauben, andere, die schneller vorbeifahren wollten, könnten dies ja tun, übersieht man doch die ärgerlichen Verkehrsteilnehmern, die (durch vermeintliche Eile getrieben) laut hupend Druck machen. Man solle doch weiterfahren.


Politisch gesehen ist die Ampel die aktuell vielversprechende Koalitionsform. Semantisch betrachtet, ist die politische Ampel gar keine Ampel. Gibt es bei ihr doch nur Rot oder Gelb (oder Rot-Gelb) oder Grün.


Verkehrspsychologisch gesehen funktioniert eine Ampel nur mit einem ausführlichen Verhaltenskodex, nach dem Motto: was ist wenn. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille.


Emotional gesehen, und das zeigt das Verhalten im Straßenverkehr, muss mit Übertretungen gerechnet werden. Das ist die andere Seite der Medaille. Auch wenn diese Übertretungen nicht die Regel sind, bedarf es eines ausreichenden, Konsens orientierten Regelwerks sowie einer Durchsetzungsstarken Hand im Falle der Übertretung. Diese bewirkt, und das liegt in der Natur der Sache, in Zukunft sicherlich manch eine Auseinandersetzung. Wenn ich das rote Ampellicht wäre, würde ich mich schon jetzt, gut vorbedacht ob der zu erwartenden Zukunft, warm anziehen. :-)


Bei näherer Betrachtung von Altmaiers Äußerung, zeigt sein politischer Zeigefinger in die richtige Richtung. Geht es doch um den Zug, der endlich losfahren soll, um sicher die nächste Station zu erreichen. Geht es doch auch um die Ampel als einem Sicherheit-in-Unsicherheit-System. Dies System ist aus (möglichem) Konflikt gebaut, der im jeweiligen Fall mal dem Einen, mal dem Andern schmeckt. Wenn ich das grüne Ampel-Licht wäre, würde ich mich daher im „Konflikt-Bewältigungs-Trainingslager“ nicht nur auf die Erfahrung mit meinem (mir letzendlich stets wohlgesonnenen) Sparringspartner verlassen.


Gespielt (das heißt gewonnen) wird nämlich auf dem Feld.


Mir gefällt daher Altmeiers Metapher, die bei näherer Betrachtung Züge einer Juxtaposition trägt. Unter einer solchen versteht Wikipedia: „eine Juxtaposition (von lat. iuxta „dicht daneben“, „nebenan“ und positio „Lage“, „Stellung“) bedeutet eine enge Nachbarschaft, zum Beispiel……… zweier Befindlichkeiten (etwa „Lieb und Leid“).


Wichtig ist dabei, dass beides einander nahe liegt, aber durchaus voneinander zu unterscheiden ist und sogar voneinander völlig unabhängig sein kann. Von einer Juxtaposition auf eine Beziehung zu schließen ist im Allgemeinen ein logischer Fehlschluss.“


Die Ampelkoalition ist also nicht nur für eine Überraschung gut. Verkörpert sie doch als Juxtaposition Überraschung an sich und wird sie das Überraschungsmanagement zu einer ihrer hervorragenden Kompetenz entwickeln.