Putin im Körperspracheseminar

Vladimir Putins Körpersprache ist seit vielen Jahren eingehend kommentiert worden. Die Berichterstattung über die nonverbale Kommunikation zwischen Obama und Putin sowie entsprechende Spekulationen besitzen inzwischen eine fast schon legendäre Tradition. Beschreibungen reichen von ungeschickt, heikel, peinlich bis hin zu misslich, verfänglich und gefährlich.


Oftmals wird betont, dass die Körpersprache in der Politik keine nennenswerte Rolle spiele. Man solle sich nicht durch Nebensächlichkeiten oder gar durch Esoterik von den eigentlichen politischen Themen ablenken lassen. Wie muss dann aber beispielsweise Obamas Äußerung über Putins Körpersprache vor laufender Kamera bei einer Pressekonferenz anlässlich des G8 Gipfels 2013 in Nordirland gewertet werden? Putin, so Obama, habe sich nonverbal im vertraulichen 4-Augen-Gespräch wie ein Lümmel benommen, wie jemand, der sich einfach hinfläzt und wie eine Niete (engl.:slouch) wirkt. „Natürlich“, so Obama,“sei Putin kein Lümmel“.


Ist dies etwa Obamas körpersprachliche Retourkutsche dafür, dass Putin beim G20 Gipfel gut ein Jahr zuvor Obama nonverbal vorgeführt hat? Man erinnere sich nur an den Händedruck bei der Begrüßung und die Abschlußszene. Während Obama beim begrüßenden Händedruck Putin souverän, lässig dominiert, zeigt Putin eindeutig initiativ Obama beim Abschied, dass er derjenige sei, der zeigt, wo es langgeht.


Warum beleuchte ich das während der Ukraine-Krise? Inwieweit macht es Sinn auch Putins Körpersprache mit ins Kalkül zu ziehen? Bereits 1991 hat Putin als Vertreter des KGB ein Körperspracheseminar unter Leitung des Australiers Allan Pease besucht. Russlands Politiker wollten damals schon ihre Wirkung in der Öffentlichkeit verbessern. Mussten sie sich doch, bedingt durch die politische Öffnung hin zum Westen, auf die Medieninszenierung vorbereiten. Nur wie Chruschtschow finster dreinzublicken und die Faust zu schwingen reichte nicht mehr aus.


Zum Glück hat Pease inzwischen über Putins Körpersprache öffentlich geplaudert. Dieser sei ein sehr gelehriger und schlauer Schüler gewesen. Auch Putin zeigte anfangs eine durchgängig ernste, unbewegliche und drohende Mimik, so als würde er stets mit einer Pistole bewaffnet reden. Dies hätte eindeutig ängstlich und furchteinflößend zugleich gewirkt. Also hätte Pease den russischen Politikern, Putin ebenso beogebracht, „freundlich zu gucken“. Man sollte sich aggressive Gesten abgewöhnen. Sie würden bei den Medien nicht gut ankommen.


Putin sei aber damals bekannt und bewundert gewesen für seinen stoischen, unbeweglichen, starren Blick. Ebenso für seine sparsame Gestik. Beides hätte überzeugend jegliche Gefühle verbergen helfen. Und obwohl Pease wohlwollend über Putin schreibt, betont er, dass Putin letztendlich nie von dieser Sowjet-Mimik abgelassen habe.


Zu Sowjet-Zeiten war es auf dem politischen Parkett bestimmt gefährlich Gefühle zu zeigen. Der Umstand, dass Putin ein solches Verhalten trotz politisch wechselnder Stimmungs- und Gemengelagen (vor allem unter großer Anspannung) beibehält, zeigt, dass insbesondere Putins Mimik und Gestik Zeichen eines persönlichen Verhaltensmusters sind.


Dies Verhaltensmuster trägt Züge eines „sturen Überlebenswillens“ trägt. Dieser hat sicherlich nicht unbedingt etwas mit den jeweils aktuellen politischen Ereignissen zu tun, sondern ist Ausdruck von Putins biographischen Erfahrungen. Ohne hierüber Genaueres zu wissen, kann diese Grundhaltung Putins ein unbewusstes Motiv, wie man in der Psychologie sagt, darstellen.


Ein persönlich gefärbtes Motiv, das selbstverständlich einen Einfluss auf sein politisches Verhalten in der Ukraine-Krise hat.


Natürlich ist Putin auch ein Versteher. Ist er doch schon 1991 im Körperspracheseminar für seine Angewohnheit bekannt gewesen, unmerklich beim Zuhören mit dem Kopf zu nicken, den Kopf leicht zur Seite zu legen, und gerade dadurch nonverbal seinem gegenüber das Gefühl zu geben: „ich bin bei Dir, ich verstehe Dich, Du bist bei mir gut aufgehoben“.


Nimmt man nur diese beiden von Putins körpersprachlich begründeten „Goldenen Verhaltensregeln“ und überträgt sie auf sein aktuelles Politisches Verhalten, kann man dieses Verhalten differenzierter verstehen. Man könnte ihn dann auch besser kommunikativ erreichen.


Politik täte gut daran dies zu berücksichtigen. Politik täte auch gut daran, dies im kommunikationsstrategischen Vorgehen Putin gegenüber zu berücksichtigen.