Transparenz ist Silber, Schweigen ist Geld

Jüngst las ich eine Geschichte über die Herstellung eines bekannten Likörs, genannt Chartreuse, die mich wirklich amüsierte, weil ich von christlichen Mönchen eigentlich nichts Anderes erwartet hatte. Die Geschichte hat mich aber auch ein wenig nachdenklich gestimmt insoweit, als sie mich, gelesen unter dem Aspekt der aktuellen Debatte um die Notwendigkeit von Transparenz, an dem tatsächlichen Sinn von Transparenz und dem fast schon gierigen Wissen-Wollen in der Gesellschaft zweifeln lässt.


Hier die Essenz der Geschichte: im Kartäuser Kloster Chartreuse, das in den Alpen nahe Grenoble gelegen ist, wird seit über 400 Jahren der Likör Chartreuse hergestellt. Stets nach dem gleichen überlieferten Rezept. Nur zwei Mönche kennen dieses Rezept. Stirbt einer, sucht der Überlebende sich einen Nachfolger und weiht diesen in Kunst und Geheimnis der Likör-Herstellung ein.


Da das Kloster sich durch den Likörverkauf schon über 400 Jahre finanziert hat, und Mönche leben bekannter Weise ja nicht schlecht, produzieren sie ein erfolgreiches Produkt, das sich nachhaltig am Markt behauptet hat. Der stets sprudelnde Profit basiert vornehmlich auf dem stets geheim gehaltenen Rezept. Und wie gesagt, man lebt nicht gerade schlecht hinter klösterlichen Mauern.


Was aber ist der Unterschied zu Coca Cola, Underberg und anderen Rezepturen, die auch bekannter Weise der strengen Geheimhaltung unterliegen?


Nun, Kartäuser unterliegen dem Schweigegelübde. Sie dürfen hinter ihren Mauern nicht reden. Sie schweigen. Und man kann annehmen, dass die Übertragung des Wissens um die Rezeptur an einen Nachfolger sich auch schweigend vollzieht.


Was ist aber der Unterschied, so könnte man sich fragen, zwischen Geheimhaltung a la Coca Cola einerseits, dort wird Geheimhaltung und nicht das Schweigens gepflegt, und der Geheimhaltung a la Chartreuse andererseits? Dort paart sich Schweigen und Geheimhaltung zu einer Kunst, die die Jahrhunderte überdauert hat. Zu einer Kunst, die die Mönche zufrieden und gelassen schlafen lässt. Zu einer Kunst, die nicht mit Marketing, ausgeklügeltem Vertrieb und dem fast schon manischen Drang zur ständigen Umsatzsteigerung (wie in so mancher kapitalistischer Unternehmung üblich) besagten nachhaltigen und zuverlässigen Erfolg herbeiführt. Sogar darauf verzichten kann.