„Der Streit ging los, als das Opfer zurückschlug“

Mit dieser Interpunktion beschreibt Josef Joffe am 7.12. im Berliner Tagesspiegel die Legitimation des Aggressors nach einer Keilerei auf dem Schulhof.


Obwohl es bei lange eskalierenden Streitigkeiten systemisch gesehen irgendwann egal ist, wer angefangen hat, ist es das juristisch und legitimatorisch überhaupt nicht .


BILD titelte gestern „Rentner erwürgt Frau nach 46 Jahren Ehe-Hölle“. Die Frau hatte den 68-jährigen wohl jahrelang beleidigt und schikaniert. Er war bis dahin jedem Konflikt aus dem Weg gegangen. Nach einer letzten verbalen Attacke erwürgte er sie und rief dann sofort die Polizei. Vor Gericht gesteht er: „Ich wollte sie einfach nur zum Schweigen bringen.“ Und in seinem Schlusswort: „Ich liebe sie immer noch". Die verständnisvolle Richterin belässt es bei vier Jahren Haftstrafe.


Erwürgen kann ohne Zweifel eine wirksame Form sein, jemand zum Schweigen zu bringen.. Ich wundere mich weder über das Motiv noch über die Handlung, sondern über das Liebesgeständnis des Mannes vor Gericht. Lösungsorientiert gesehen hat es nichts gebracht. Keine Befreiung durch die Tat, sondern er bleibt in seiner Opfer-Hassliebe mit ihr verbunden.


Über den Fall hinausgehend finde ich angesichts der Mordfantasien in vielen konflikthaften intimen Beziehungen erstaunlich, wie selten so etwas real vorkommt. Man mag ja die vielen Scheidungen beklagen, aber als Alternative zum Gattenmord sind sie doch zu bevorzugen. Besser lebend getrennt, als totschlagend verbunden.