Schlüsselwerke der Systemtheorie

Vor ein paar Tagen ist das Buch „Schlüsselwerke der Systemtheorie“ (Springer VS) in dritter, überarbeiteter und erweiterter Auflage erschienen. Herausgegeben hat es Dirk Baecker. Er ist aktuell wohl derjenige, der den besten Überblick über den Stand und die Entwicklung der Systemtheorie besitzt. Das bezieht sich sowohl auf deren Geschichte, als auch auf gegenwärtige Entwicklungen und Trends.


Nicht zuletzt deswegen freue ich mich – obwohl ich nicht dazu neige, meine Freude öffentlich zu zelebrieren – gleich mehrfach. Denn zu diesen Schlüsselwerken zählt Baecker zwei Bücher aus dem Carl-Auer-Verlag.


Als erstes ist hier das nunmehr schon lange zu den Klassikern gehörende Buch von Jürgen Ruesch und Gregory Bateson „Kommunikation. Die soziale Matrix der Psychiatrie“ zu nennen. Erstmals publiziert wurde es 1951. Die dort behandelten Themen haben nichts von ihrer Aktualität verloren. In dem Kapitel über das politische System der USA zeigt sich allerdings, dass dort in den letzten 70 Jahren ein radikaler Wandel stattgefunden hat. Denn damals gab es noch nicht die heutige Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern, sondern es wurden sachbezogen immer wieder parteiübergreifend Bündnisse geschmiedet und Entscheidungen getroffen. Damals fiel dies den aus Europa stammenden Autoren als Unterschied zu den stärker polarisierten Verhältnissen in Europa auf. Heute wird man wohl konstatieren müssen, dass ein Mehrheitswahlrecht („the winner takes it all“), wie in den USA oder Groß-Britannien praktiziert, inzwischen, der Logik dieser Organisationsform folgend, zur Eskalation der politischen Konflikte geführt hat. In Ländern mit einem Verhältniswahlrecht (wie in Deutschland) hält sich die Polarisierung hingegen in Grenzen, denn es ist meist notwendig Koalitionen zu schmieden und Kompromisse zu finden. Das führt zu Entscheidungen, die gemäßigter und weniger dysfunktionell ausfallen. Potenzielle Koalititonspartner wollen nicht als Feinde behandelt werden.


Abgesehen von dem beschriebenen Unterschied der politischen Systeme Kontinentaleuropas und der USA hat kaum eines der von Ruesch und Bateson behandelten Themen seine Aktualität verloren. Die Lektüre macht auch noch einmal deutlich, wieviele der später von anderen Autoren ausformulierten Konzepte - wie etwa das der Autopoiese - bereits von den beiden Autoren angedacht worden waren.


Das zweite Buch aus dem Carl-Auer-Verlag, das in den „Schlüsselwerken“ dargestellt wird, freut mich zum einen als Verleger, zum anderen als Autor. Es ist das von mir verfasste Buch „Formen. Zur Kopplung von Organismus, Psyche und sozialen Systemen“.


Natürlich sind alle anderen Werke, die in den „Schlüsselwerken“ zitiert sind, wichtiger als mein Buch, aber es freut mich trotzdem...  


Baeckers Buch ist – obwohl nicht im Carl-Auer-Verlag erschienen - sehr empfehlenswert, da man dort kompakt einen guten Überblick über die Vielfalt der Anwendung und Ausprägung der Systemtheorie gewinnt. Anzumerken ist noch, dass Dirk Baecker, der selbst extrem viel Originelles und Wichtiges zur Entwicklung der Systemtheorie beigetragen hat, in der ihm eigenen, vornehm stilvollen, aber falschen, Bescheidenheit darauf verzichtet hat, auch nur eines seiner Werke in die Schlüsselwerke aufzunehmen (was natürlich deren Anspruch auf Vollständigkeit radikal reduziert).