Chinastrategie: „Frau gegen Mann“ oder „Mann (oder Frau) gegen sich selbst“

Dem Cover einer offiziellen politischen Verlautbarung, in diesem Fall der neuen, ersten Chinastrategie der Bundesrepublik Deutschland, kommt eine besondere Bedeutung zu. In diesem Fall soll das Titelbild bereits ein wesentliches Statement enthalten.


Das Cover ist auch eine virtuelle Einladung und Selbstoffenbarung. Einladung an das Gegenüber, auf den die Strategie bezogen ist. Und eine Selbstoffenbarung, weil man bereits an dieser Stelle einen Teil des Schleiers der eigenen Strategie lüftet, ob man will oder nicht.


Man kann es auch so sehen: entweder unterstreichen Frau Baerbock und ihr Außenamt ihren Mut Go mit ihrem chinesischen Gegenüber spielen zu wollen, oder das Titelbild bemüht sich Chinafreundlich zu wirken. Im ersten Fall wäre ich neugierig auf das Spiel mit den Go Erprobten Chinesen. Im anderen Fall, erinnere ich mich an das Gespräch mit einem älteren chinesischen Personalmanager. Sagte dieser doch mit einem nicht zu übersehenden Lächeln im Gespräch über deutsche Expats, die nach China kommen, dass diese oftmals chinesischer sein wollten als Chinesen.


Nun, es ist amtlich. Das Cover der in der vergangenen Woche in Berlin vorgestellten Chinastrategie zeigt das Brett eines Go-Spiels. Dies vor allem in China sehr beliebte Strategiespiel ähnelt dem Schach. Auch wenn die Grundregeln recht einfach sind, variieren die hoch komplexen Spielmöglichkeiten ins Unermessliche. Die allgemeine Strategie besteht darin, das eigene Territorium zu erweitern, die schwachen Gruppen des Gegners anzugreifen und immer auf den Lebensstatus der eigenen Gruppen zu achten. Schach hingegen verkörpert den Konflikt "Mann gegen Mann".


Die Go-Spieler erfahren grundsätzlich, wo sie im Vergleich zu anderen Spielern stehen. Go kann daher grundsätzlich als Verkörperung des Strebens nach Selbstverbesserung verstanden werden i. S. v „Mann / Frau gegen sich selbst“.


Jörg Wuttke, der ehemalige Chef der europäischen Außenhandelskammer in China ist „sich daher nicht sicher, warum sich die deutsche Regierung für dieses besondere Bild von Go entschieden hat (圍棋, Mandarin: wéiqí, wörtl. Brettspiel der Einkreisung"). Und so fragt er sich weiterhin, „warum soll unsere Strategie auf einem chinesischen Spiel beruhen?


Im Übrigen fragt er sich, „ob Sun Tzu, der berühmte chinesische Philosoph, darüber lachen würde, dass nämlich jemand seine Strategie im Voraus zu Papier bringt und sie mitteilt.“


Mit Guy Horne (Chef der H&H Media Lausanne) möchte ich an dieser Stelle daran erinnern, dass Go kein Spiel der "Harmonie" oder gar ein „Win-Win-Spiel“ ist. Geht es doch darum, ein „Gebiet zu beherrschen und den Gegner zu ersticken, bis er hilflos ist. Der Gewinner treibt seine Interessen so weit voran, dass er die vollständige Kontrolle hat.“


Also, warum dieses Cover?! Warum die Chinastrategie mit dem Bild eines Chinesischen Brettspiels schmücken?!


Schaut man auf den Inhalt der ersten deutschen Chinastrategie und betrachtet diese im Zusammenhang mit besagtem Cover als ein (zumindest wird der Anschein erweckt) komplementäres, politisches Gebilde, erlaubt sich die deutsche Außenministerin und ihre Administration eine besonders mutige strategische Kür auf offenem globalen Parkett.


Ein etwas humorvoll mitlesender Interessent könnte sich auch fragen, wie lange die Außenministerin und die Administration sich in der Kunst des Go geübt haben.