Das 1. Triell war nun doch ein Duell

Scholz, Baerbock und Laschet lassen gleich zu Anfang bei der ersten Frage, warum nämlich der jeweils andere nicht Kanzler sein könne, die Moderatoren süffisant lächelnd auflaufen. Dies sei nicht der Politikstil, den man in Deutschland pflegen sollte. Sie, unisono, würden auf jeden Fall nicht hierfür stehen.


Dies war der eigentliche Aufschlag zum gestrigen TV-Duell. Politik gegen Medien. Medien gegen Politik.


Die Drei haben sich wacker geschlagen, deutlich an der Sache bleibend, gepaart mit der nötigen Offensive und respektvoll im Umgangsstil. Sie zeigten ihre jeweils sehr unterschiedliche Haltung als PolitikerIn. Diese konnte man deutlich wahrnehmen, wenn man denn genau hinschaute. Die ModeratorIn taten dies nicht hinreichend genug. Stattdessen stellten sie die üblichen und erwartbaren Fragen. Dies war die offizielle Pflichtübung, nämlich zu fragen, wie man es mit den Steuern, mit Afghanistan, mit dem Klima usw habe. Diese Themen sind wichtig, Diese Themen sind relevant. Diese Themen verdeutlichen die Unterschiede der Parteien. Ein Duell, in diesem Fall sollte es ein Triell sein, dient hingegen als Showdown der Inszenierung der handelnden Personen, wenn diese sich in der Arena Aug in Aug gegenüberstehen. Wie geben sie sich, wenn sie die eine oder andere Meinung vertreten? Wie in sich stimmig wirken sie dabei? Wie reagieren sie auf die Offensive des anderen? Wie kann der Funke einer überzeugenden Begeisterung auf die Zuschauer überspringen? Wie bewähren die Politikerinnen sich unter einem derart hohen Stress im TV-Studio? Reagieren Menschen doch unter Stress eher so wie es Ihnen auf den Leib geschrieben ist. Handeln sie doch unter hoher Belastung (automatisch) so, wie sie es im Leben als die bestmögliche Lösung gelernt haben. Gelernt haben, um zu überleben.


Dies im TV-Duell zu verkörpern ist die Kür. Die ModeratorIn haben die Chance verpasst, den Blick hierauf zu lenken.


Insoweit ist ein TV-Duell oder Triell geradezu die ideale Chance die unterschwellig wirkenden Verhaltens- und Wirkungsmuster von Scholz. Baerbock und Laschet zu erspüren, zu erkennen und auf die Brauchbarkeit für die eigene Person zu überprüfen. Diese Überprüfung hat zwei entscheidende Vorteile: einerseits beginnt man eine Vorstellung davon zu bekommen, was man in Zukunft vom jeweiligen Politiker zu erwarten hat, wenn es denn mal wieder zu einer Krise, Katastrophe oder Not kommt. Bewährt sich der Politiker dann in dem, was er vorgibt zu sein. Kann er das dann tatsächlich einlösen, auch wenn es politisch stürmt oder man „auf Sicht fahren muss“. Ist dann noch auf diesen Politiker Verlass oder nicht?


Kann ich trotz seiner Beteuerungen, die mich in Sicherheit wiegen sollen, auch ruhig schlafen? Die ModeratorIn hatten hierfür weder ein Gespür noch entsprechende Worte.


Andererseits hilft dies nicht nur auf den Augenblick oder auf den Moment im Hier-und-Jetzt zu schauen. Stattdessen spiegelt sich in diesen Verhaltens- und Wirkungsmuster unter hoher Belastung (und Politik ist ein Job unter sehr hoher Belastung) so etwas, was man Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit oder Beständigkeit im eigenen Verhalten nennen kann.


Politiker werden für Inhalte, politische Überzeugung, eine gute persönliche Performance und Verlässlichkeit gewählt. Menschen sind hieran interessiert und vergegenwärtigen sich, wer dann zu einem passt. Sie achten auf die (inhaltlichen) Aussagen und auf die Art der Verkörperung durch den jeweiligen Politiker. Menschen erleben Politiker dann und spüren, wie gerade erwähnt, ob sie diesem oder jener auch in Zukunft vertrauen können. Ein solches optionales oder projektives Vertrauen ist dann eher ein Zutrauen, nach dem Motto, ich lege mein Geschick in seine oder ihre Hände, in der Zuversicht, der oder die werde es schon im Ernstfall richten. Erlebt mich sich dann so mit dem Politiker (auch qua Teilidentifikation) emotional verbunden, stärkt dies das Selbstvertrauen der Menschen.


Scholz steht für Prinzipien wie Respekt, Demut, soziale Gerechtigkeit usw. Dabei wirkt er unspektakulär, unprätentiös, geradlinig, konsequent und appelliert an Höflichkeit im politischen Umgang. Auch wenn er gelegentlich sein schmunzelndes, listiges Lächeln nicht verbergen kann. Was führt er vielleicht noch im Schilde? Er bezieht sich auf das, was er tatsächlich tut und getan hat. Referenz sind die andern und die Bedarfe des jeweiligen Kontexts.


Laschet betont die Bedeutung von Haltung in der Politik. Haltung würde Standhaftigkeit und Verlässlichkeit gewährleisten. Vergessen dürfe man, so Laschet, nicht den hierin verkörperten Kompass im politischen Geschäft. Dabei wirkt er eher (subtil) empört und kann nicht die eigene Neigung verbergen, die Gelegenheit für eine Offensive zu nutzen. Und doch wirkt er auch situativ stark nervös und nicht in sich genug gefestigt. So entgleiten ihm oft die Gesichtszüge, wenn andere reden. So stützt er sich schief stehend auf das Pult, ohne sich auf den sicheren eigenen Stand zu verlassen. Er stützt sich weiterhin auf ein „Wir“, das, ungefragt, eine zentrale Rolle in der gegenwärtigen Krisen geschüttelten Gesellschaft spielt.


Baerbock schließlich betont das Hier-und-Jetzt. Sie will den „echten“ Aufbruch und betont die Begegnung mit Menschen wie Du und ich. War sie doch in Mainz und hat dort mit Menschen gesprochen oder kennt die Mütter aus dem Kindergarten, den ihre Tochter besucht. Dabei wirkt sie eher in sich festgehalten, aufrechtstehend und mit all ihren Sinnen (zu) wachsam für das, was da auf sie einströmt (oder einströmen könnte). Baerbock weiß um die Notwendigkeit auch in den eigenen Reihen aber auch um die diesbezüglichen Spannungsfelder sowie Fallstricke. Ihre wachen Augen, ihr flinkes Gehör und ihr stets in Bereitschaftsstellung sich befindender agiler Mund helfen ihr dem Aufbruch auch genügend Tempo zu verleihen.


Nun, bedenkt man dies, und vergegenwärtigt man sich, dass die ModeratorIn dies alles nicht bemerkt haben, bleibt am Ende nur ein Sieger in der Arena: nämlich die Politik.