Die Unbeugsamen
Frauen an die Spitze - Die Grünen setzen mit einem komplett weiblichen Parteivorstand 1984 ein politisches Signal:
v.l.n.r. Heidemarie Dann, Annemarie Borgmann, Antje Vollmer, Erika Hickel, Waltraud Schoppe, Christa Nickels ©Majestic/picture_alliance-SvenSimon

Der Film mit diesem Titel, der seit ein paar Tagen in den Kinos zu sehen ist, kann uneingeschränkt empfohlen werden. Er ist spannend, obwohl es sich um keinen Spielfilm handelt und die Helden, nein, Heldinnen (!) keine Kunstfiguren sind.


Thema ist die Rolle von Frauen in der bundesdeutschen Politik seit Gründung der BRD.


Es werden dokumentarische Aufnahmen mit Wortbeiträgen von 14 (meist ehemaligen, aber schon damals „unbeugsamen“) Politikerinnen kombiniert. Was damit gelingt, ist die Darstellung der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte, speziell - und das ist das Beeindruckende an diesem Film - der mühsamen, aber stetigen Veränderung der Rolle von Frauen in der deutschen Politik: von einer vollkommen randständigen und zu vernachlässigen Schmuckfunktion in einem klassisch patriarchalen System zu einer machtvoll gestaltenden Funktion mit einer Frau als Kanzlerin. Allerdings ist/war damit nicht wirklich verbunden, dass nun die Frauen die ihnen zustehende Rolle in der Politik spielen.


Obwohl ich mich an die Zeit, aus der die dokumentarischen Aufnahmen stammen, noch gut erinnern kann, war mir bis zum Schauen des Films nicht bewusst, wie stark diese Veränderungen waren. Frauen spielten im öffentlichen Leben in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts (die dem Zuschauer aus heutiger Perspektive mittelalterlich erscheint) in Deutschland kaum eine Rolle. Es gab nur ein paar „Unbeugsame“, aber sie haben offensichtlich Wirkung erzielt. Doch natürlich ist auch heute noch ein weiter Weg zurückzulegen, ehe Frauen gleich bezahlt werden und gleichermaßen einflussreich bei politischen Entscheidungen sind oder in den obersten Etagen der Wirtschaft auch nur annähernd gleiche Karrierechancen wie Männer erhalten usw. Trotzdem: Es hat sich schon enorm viel in den letzten 70 Jahren verändert, fast so viel wie im Bereich der Telekommunikation… Und diese Veränderung betrifft nicht nur die Verteilung der Sitze im Bundestag unter den Geschlechtern (immerhin: ca. 30% Frauen), sondern mit dem Einzug von Frauen in die politischen Institutionen haben sich auch die Themen von Politik verändert (z.B. Abtreibungsrecht).


Wer das erste „Triell“ zwischen Scholz, Laschet und Baerbock im Fernsehen angeschaut hat, konnte an Herrn Laschets Wortbeiträgen, vor allem aber an seiner nonverbalen Kommentierung des Auftritts von Frau Baerbock (den ich übrigens ziemlich überzeugend fand) noch die Reste der 50er-Jahre Bundesrepublik erkennen. Er praktizierte - wenn auch sehr dilettantisch - das rheinische Patriarchat, zeigte eine „überlegene“ Pose und Mimik, wo ihm die Argumente fehlten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er damit einen Blumentopf gewinnt. Scholz hingegen blieb der nordische Buddha, der die Ärmelschoner eines Finanzbeamten (ebenfalls aus den 50er-Jahren) in staubtrockene Worte übersetzte. Und Baerbock: Wieder mal eine „Unbeugsame“, die sich offensichtlich von den Wirkungen ihrer eigenen Fehler (die bei einem Mann gar nicht als Fehler bewertet worden wären) erholt hatte und nicht in Selbstzerknirschung das Mäuschen spielte.


Aber zurück zum Film: Nachdem ich ihn gesehen habe, frage ich mich, ehrlich gesagt, ob ich nicht auch mit dem Gendern beginnen sollte. Es würde jedenfalls in die Logik der aufgezeigten Entwicklung passen. (Allerdings vermute ich, dass meine Bequemlichkeit und auch gewisse ästhetische Widerstände mich daran hindern werden, obwohl ich dessen Ziele legitim finde und teile).