Geht China Strategie ohne China Kompetenz?

Schaut man in die neue China Strategie (CNStrat) der Bundesregierung, scheint die Antwort klar zu sein. Man dokumentiert die Strategie auf mehr als 60 Seiten. Die letzte Seite ist schließlich dem Hinweis auf die Notwendigkeit von China Kompetenz (CNKomp) reserviert. Im Klartext heißt es dann z.B.

• ….die Regierung verstärkt die Anstrengungen…
• …..wir ermutigen alle Bildungseinrichtungen….
• ….es sollen Synergien genutzt werden….
• ….die Zusammenarbeit mit chinesischen Institutionen ist wichtig….
• …..die CNKomp der Regierung muss gestärkt werden….
• ….Forschungsinstitute leisten einen unverzichtbare Beitrag……
• ….dem Merics kommt eine herausragende Rolle zu…..

Hierbei erstaunt einerseits der Umstand, dass die Regierung darauf verzichtet, konkret ihr eigenes Verständnis von CNKomp zu erläutern. Stattdessen ermutigt sie appellhaft andere sich integriert und synergetisch um die Entwicklung von CNKomp zu kümmern.

Wie kann jedoch eine Regierung, deren eigenes Verständnis von CNKomp nicht bekannt oder gar nachvollziehbar ist, das erwartete Engagement Anderer einschätzen? Wo und wie ist der hierfür erforderliche Referenzrahmen?

Den gewünschten Prozess auch in der Zusammenarbeit zwischen chinesischen Institutionen und dem Merics in Berlin besonders zu gewichten, überrascht eher als geheimnisvoller politischer Kunstgriff. Wie kann eine derartig für wichtig erachtete Zusammenarbeit gelingen, ist doch das Merics durch die chinesische Regierung offiziell sanktioniert?

Die dynamischen, oftmals disruptiven geopolitischen Entwicklungen erfordern eine neue Sicht auf und eine Neubestimmung von politischer Strategie. Keine Frage. Umsichtiges Handeln ist gerade in derart unsicheren Zeiten angesagt. Die Bundesregierung kündigt mit ihrer CNStrat ein neues Handeln an. Alles fußt auf einer Wertebasierten Grundhaltung. Soweit, so gut. Strategisches Handeln unterscheidet sich vom situativen, operativen oder taktischen Handeln durch Zukunftsbezogenheit, langfristiges planen und strukturbildende Orientierung. Strategie ist darüber hinaus nicht nur Plan sondern auch komplexe Steuerung. Die deutsche CNStrat entbehrt sowohl nähere Ausführungen zu dem Zusammenspiel von CNStrat und Steuerung, als auch eine zu Grunde liegende referentielle CNKomp.

Versteht man Kompetenz als verstehende, diskursive Fähigkeit, Situationen Problem gerecht zu verstehen, lösungsorientiert einzuschätzen, um dies als Anstoß für ein entsprechendes Verhalten zu nutzen, steht die Bundesregierung noch vor wirklich großen Aufgaben, wenn nicht gar Herausforderungen.

Der Präsident des DAAD J. Mukherjee weist zum Beispiel im Interview mit dem Deutschlandfunk (20.7.2023) Auf die dringliche Notwendigkeit hin, CNKomp endlich mit eigenen Mitteln zu entwickeln. Geht es doch gerade zurzeit der großen globalen Verunsicherung darum neue Fragen zu finden, bezüglich China ein neues Verstehen zu entwickeln und sich geopolitisch zu verorten. Hierbei erarbeitete Ergebnisse werden dann in entsprechende Regularien, Verträge usw. einfließen.

Sich als Wissenschaft (auch) geopolitisch zu verorten, berührt sicherlich das eigene Rollenverständnis von Wissenschaft. Wie gelingt dann das Rollen-Tandem von wissenschaftlicher Unabhängigkeit bei gleichzeitiger geopolitischer (Selbst-) Positionierung? Das erwartet die Regierung.

Eine solche (Selbst-) Positionierung geht einher mit einem (noch zu entwickelnden) gemeinsamen Grundverständnis in Bezug auf CNStrat und CNKomp. Dies ist immer von sachrationalen Aspekten, politischer Funktion und (auch) einer emotionalen Grundgestimmtheit getragen. (Letztere Perspektive mag manch einem im Politikbereich möglicherweise seltsam vorkommen).

Am Beispiel der Wissenschaftskooperationen zwischen Deutschland und China zeigt sich deutlich die Diskrepanz zwischen dem durch die Wissenschaftsministerin betonten (emotionalen) Grundverständnis und dem des Präsidenten des DAAD sowie dem der Rektorenkonferenz. Frau Stark-Watzinger betont die „Notwendigkeit das hohe Gut der Wissenschaftsfreiheit und die nationalen Sicherheitsinteressen in Einklang zu bringen“. Gefordert seien daher insbesondere Maßnahmen, um dem: „… Missbrauch von Forschung vorzubeugen“.

J. Mukherjee stimmt der Ministerin im Prinzip zu, äußert zugleich die Überzeugung, dass man aber mit dem ministeriellen Misstrauens-Konzept sehr behutsam umgehen sollte. Von vornherein pauschal eine Politik der Roten Linien (red-line-politics) zu fahren, sei nicht nur unklug, sondern führte auch zur Abschottung China gegenüber.

Stark-Watzingers Plädoyer, nämlich nicht naiv sein zu dürfen, steht Mukherjees subtil betonter Überzeugung gegenüber, dass man doch nicht blauäugig sei. Man kann neugierig darauf sein, woran man in Zukunft den Unterschied bei der zu entwickelnden CNKomp erkennen kann, der sich zwischen zu vermeidender Naivität und dem Vertrauen auf nicht zu befürchtender Blauäugigkeit auftuen wird.

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