Geschäftsmodelle sind die neue Form des politischen Kampfs Rechtsextremer

Im Rahmen eines größeren Coachingprojekts in der Politik (Thüringen) haben wir auch über die Entwicklung rechtsextremer Aktivitäten und Milieus gesprochen. Im diesbezüglichen Rückblick auf die letzten 30 Jahre scheinen sich einige Charakteristika abzuzeichnen, die sich grobschnittartig zusammenfassen lassen. Ich beziehe mich dabei primär auf psychologische Aspekte und Inszenierung von Identifikation. Dies variiert in Bezug auf unterschiedliche Regionen und Traditionen und doch gibt es allgemeine Tendenzen:


• in den 90er Jahren war die Szene eher u.a. durch demonstrativ zur Schau gestellte Identifikation bezüglich bestimmter äußerer Merkmale gekennzeichnet. Die offensive Gruppenidentität wurde gespeist durch das Bemühen sich selbst hiermit im Einklang zu erkennen zu geben. (z.B. Springerstiefel, Baseballschläger u.a.)


• Vor ca 20-28 Jahren durchlebte die FPÖ in Österreich (vor allem in Kärnten) eine Erfolgsgeschichte, die vornehmlich mit dem Frontmann Jörg Haider verknüpft war. Dies Beispiel zeigt eine deutliche Erweiterung und Wandlung der rechtsextremen Bewegung(en). Ist doch diese Zeit u.a. durch die Entwicklung von emotionalen Milieus gekennzeichnet, die sich zu dem nicht mehr primär nur durch äußere Merkmale wie Springerstiefel usw auszeichnen. Hierunter kann man gesellschaftliche, emotionale Milieus verstehen, die sich weniger durch explizit zur Schau gestellte rechtsextreme Ideologie auszeichnen sondern sich auf (Teil-) Identifikationen z.B. mit dem Frontmann J. Haider zurückführen lassen. Fragte man damals FPÖ-Wähler, warum sie diese Partei favorisieren oder gar wählen, bezogen sich die Antworten zu einem großen Teil auf Eigenschaften von Haider, die er im Wahlkampf inszenierte. Diese hatten oft gar keinen Bezug zur Politik oder gar rechtsextremem Gedankengut. So war man von Haider aufgrund seiner inszenierten Attribute begeistert. (z.B. Attraktivität als Mann, siegreicher (Extrem-) Sportler). Hierdurch bediente er die verunsicherten Menschen und half gegen die tiefsitzenden Ängste des „Kleinen Mannes“. Seine Selbstinszenierungen als Robin Hood des kleinen Mannes oder als Rambo-Haider dienten den Menschen dazu, eigene Minderwertigkeitsgefühle, Ängste, Neid und Selbstunsicherheit abzuwehren.


• Die Entwicklung von NSU und NSU-Untergrund entsprach einer Radikalisierung, dem Aufbau von Strukturen im Untergrund und zum Teil terroristischen Aktivitäten. Alles fand, so könnte man sagen im Geheimen statt. Auch wenn man durch demonstrative Treffen die Öffentlichkeit stärker zu verunsichern begann, entwickelten sich rechtsextreme Strukturen, ohne dass deren Existenz immer an die Öffentlichkeit gelangte. Mit zum Teil verheerenden Auswirkungen, wie die NSU-Morde es zeigten.


• In den letzten Jahren hat sich diese Situation deutlich und essentiell gewandelt. Rechtsextreme operieren durch Geschäftsmodelle. Man besitzt Immobilien, veranstaltet Rechts-Rock-Konzerte, eröffnet Kneipen, produziert Kleidung und Give-Aways für Anhänger, Sympathisanten und die „normale“ Bevölkerung u.a. Ideologische Arbeit findet direkt und verstärkt indirekt statt. Man Inszeniert sich, indem man hierdurch das Level von einer allgemeinen Akzeptanz in der Bevölkerung anhebt. Outet man sich als (potenzieller) Sympathieträger doch nun dadurch, dass man den Menschen Wohnung gibt, ihnen Geselligkeit in einer vielleicht über Jahre geschlossenen Kneipe ermöglicht, der Provinzjugend super Musik ins Dorf bringt, anschließend alles besenrein an den Verpächter übergibt, hippe Kleidung anbietet usw.


Es lässt sich zu diesen Entwicklungen natürlich noch viel mehr sagen. Habe auch nur einen Aspekt rausgegriffen. Und doch ist gerade die letzte Ausdrucksform besonders für die Politik von besonderer Bedeutung. Ging es „früher“ um Identifikation, Aufbau von Peergroup und emotionalen Milieus, Radikalisierung, Rechtsterrorismus, Strukturen im Untergrund, so sieht sich Politik heute mit den Geschäftsmodellen und der Geschäftstüchtigkeit von Rechtsextremen konfrontiert. Diese haben „nur“ indirekt eine ideologische Botschaft, sind dafür aber umso wirksamer. Verstärkt der Rechtsextremismus doch hierdurch das allgemeine Sympathielevel in der Gesellschaft. Identifiziert Politik einen Rechtsextremen als einen solchen, um ihn zu bekämpfen, ist er für den Menschen ein freundlicher Vermieter, der endlich den Bezug einer schönen Wohnung ermöglicht oder der Kneipier, das soziale Leben im Dorf oder im Stadtteil belebt.


Warum doch man so jemandem etwas „politisch Böses“ unterstellen oder ihn gar bekämpfen? Im Zusammenspiel von Politik, ideologischer Bekämpfung, Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz sowie Aufbrechen der Geschäftsmodelle gewinnt Letzteres zunehmend an Bedeutung. Trifft man doch hierdurch einen wesentlichen Kern der aktuellen Variante von Rechtsextremismus in zweierlei Hinsicht. Einerseits entzieht man die ökonomischen Ressourcen, somit die ökonomische Grundlage, um besagtes Sympathielevel zu bedienen. Anderseits erhöht man hierdurch den Schmerz in der Szene. Welcher politischen Kompetenz bedarf es aber, um diese Strategie voranzutreiben? Neben den herkömmlichen politischen Kompetenzen bedarf es einer „Managementkompetenz“. Wissen doch Manager besser als Politiker, wie Geschäftsmodelle und / oder Markt funktionieren. Haben doch Manager eher ein Händchen dafür, um Geschäftsmodelle auszuhebeln, ohne dies unbedingt als politisch notwendige Aktion deklarieren zu müssen. Auch wenn es einem solchen Zweck dienlich ist.