Jesus spielt Tennis mit Corona

Mal ehrlich, im Grunde genommen danke ich dem Trubel um den Tennisstar Djokovic und dessen Einreise zum Tennisturnier in Australien. Bietet er doch die Möglichkeit, sich fokussiert, wie unter einem Brennglas, die Entstehung einer Echokammer und die hiermit verbundene Dynamik im gesellschaftlichen Geschehen anzuschauen. Nicht nur das, bestätigt sich doch ebenso hierdurch die Annahme, dass es sich dabei auch um den Ausdruck eines emotionalen Milieus handelt.


Zunächst zur Erinnerung im Zeitraffer die Causa Djokovic und die Entstehung eines Musters von typischem Krisenverhalten, insbesondere in einer Pandemie. Dies Muster, so ist zu vermuten, kommt auch bei der Entstehung von emotionalen Milieus im Rahmen der sogenannten Querdenkerdemonstrationen zur Wirkung. Mir geht es nicht um eine sachrationale oder gar juristische Analyse der konkreten Situation, nämlich das zu beschreiben / zu bewerten, was faktisch passiert oder nicht. Vielmehr schaue ich auf die mediale Inszenierung, nämlich das, was getriggert in kürzester Zeit weltweit eine typische Dynamik ausgelöst hat:


• Der Tennisstar Djokovic darf nicht zum Grand-Slam-Turnier einreisen und muss im Quarantänehotel bleiben. Dies führt bei dem Erfolg gewöhnten Ersten der Weltrangliste zu einer persönlichen Kränkung. Reist er doch in Australien ein, um sich durch einen erhofften Sieg zum Golden Grand-Slam-Sieger küren zu lassen.


• Gründe der Ablehnung und deren Bedeutung Die Begründung der Verweigerung der Einreise fußt auf den aktuellen Coronabestimmungen in Australien. Die Verweigerung geschieht auch auf dem Hintergrund, den Tennisstar nicht besser zu stellen als die australische Bevölkerung, die wie kaum eine andere Gesellschaft bereits sehr lange unter den strengen Coronabestimmungen gelitten hatte. Dies kommt einer weiteren krisenhaften Kränkung gleich. Erhoffte sich der Tennisstar doch (wie sonst auch schon so oft) eine Sonderbehandlung und muss er sich doch jetzt als einer unter vielen fühlen.


• Djokovic wehrt sich und gewinnt vor Gericht Djokovic macht von seinem Recht des juristischen Einspruchs Gebrauch und gewinnt offensichtlich lediglich aufgrund eines vom Gericht festgestellten Formfehlers. Er erlebt es, wie er selbst sagt, als persönliche Rehabilitierung, somit auch als Bestätigung seiner besonderen Star-Rolle, nach dem Motto: „ich kann, wenn ich will“.


• „explosive“, eruptive Polarisierung der öffentlichen Meinungen als mediale Inszenierung Zeitgleich mit der Verweigerung der Einreise begann ein eruptives mediales Gewitter, ausgelöst und angefacht vor allem durch seine Familie in Serbien. Dabei ging es nicht um eine differenzierte Betrachtung der Situation in Australien, um hierdurch den Sohn Djokovic gegen eventuelle Unbill zu verteidigen. Stattdessen, einem Aufschrei gleich, wurde ein „Protestchor gegen das Einreiseverbot orchestriert“. Dieser trug deutlich Züge von „Streitlust“, wobei es überhaupt nicht um die spezielle Coronasituation ging. Stattdessen reklamierte man lautstark den fehlenden Respekt vor der „einmaligen Karriere des besten Tennisspielers, den es je gegeben hat“. Alles andere wird, so scheint es, zur Verschwörungsgeschichte gewandelt. Solche Narrative dienen einerseits der Leugnung von Wirklichkeit andererseits der eigenen emotionalen Entlastung.


• Djokovic´ Familie springt dem Sohn zur Seite und schüttet Öl ins Feuer Sich als „Symbol und Führer der freien Welt“ nunmehr, so Djocovic` Familie, in „australischer Gefangenschaft „zu befinden, sei der Niedertracht Höhepunkt. Jeder in der Familie würde darunter leiden. Da Djokovic auch der Sohn Serbiens sei würde ganz Serbien unter der „Gefangenschaft“ leiden. Diese Eskalation gelingt je tiefer seine Familie emotional mit der Kränkung identifiziert ist. Jedwede rationale Distanz fehlt.


• Die Verklärung Djokovic` zu einem „neuen“ Jesus Vater Djokovic nennt schließlich seinen Sohn in einem Atemzug mit Jesus: „Jesus wurde gekreuzigt, ihm wurde alles angetan, und er ertrug es und lebt immer noch unter uns. Jetzt versuchen sie Novak auf die gleiche Art zu kreuzigen und ihm alles anzutun“. Da Djokovic seit langem in Serbien nicht nur in der Politik sondern auch in der breiten Öffentlichkeit als gottgleicher Nationalheld gilt, spricht Vater Djokovic ganz Serbien aus der Seele. Der hohe Grad an spontan-eruptiver Identifikation induziert eine ethnische-emotionale Identität.


• Djokovic ist Serbe und Serbien ist Djokovic Nicht nur, dass Djokovic eine so hohe Popularität in Serbien genießt, seine Mutter stilisiert ihn in einer Pressekonferenz zu einem „Auserwählten, der Serbien wieder seinen Stolz zurückgegeben hat“. Diese induzierte kollektiv-emotionale Identität wandelt einer Erweckung gleich Djokovic in eine unantastbare Lichtgestalt. Entweder partizipiert man selbst unbewusst und spontan an diesem Erweckungserlebnis (und wer möchte -in Serbien- nicht auch selbst zu den Erweckten gehören) oder aber suggeriert durch die lautstark vorgebrachte und medial orchestrierte Kampagne ein diesbezügliches „Heilsversprechen“. („Wenn Du auch….., dann gehörst Du auch zu dem Kreis der Auserwählten, der Erweckten“). Wer kann als Serbe oder mag sich dann noch widersetzen? Wer will nicht, wenn nicht jeder in Serbien, aus der historisch erlebten Opferrolle raus.


• Eine Kriegserklärung? Zornig spitzt Vater Djokovic die mütterliche Überhöhung des eigenen Sohnes zu einer Kampfansage an den Westen. Der Westen sei hinter dem Sohn her, somit hinter ganz Serbien. Bei dem Einreiseverbot ginge es, so Vater Djokovic, gerade auch um ein Rede- und Meinungsfreiheitsverbot. Man würde den Sohn, ebenso wie ganz Serbien und den „gesamten Balkan einsperren“. Also müsste man als Völkergemeinschaft zusammenhalten und unerbittlich kämpfen. Genährt durch rechtspopulistische Propaganda und Überzeugungsgehabe trägt dies Züge oder hat Töne von „Kriegstreiberei“. Im Übrigen, so Vater Djokovic, sei sein Sohn stärker als der Staat, würde er doch alle „zertrampeln“. Erinnert dies nicht an den zugespitzten Nationalismus in Serbien, der in den 90er Jahren einen fast mittelalterlich geführten Krieg ahatte.


• Der schüttere Triumph des Helden wandelt sich zu einem Heldenepos, in dem der zum Opfer hochstilisierte Hauptprotagonist Djokovic bereits zu Lebzeiten zum Nationalhelden oder gar Mythos stilisiert wird. Die Causa Djokovic gleicht spätestens dann einem Opferkult. Man zieht hieraus, so könnte man vermuten, eine unantastbare Legitimation für das Verhalten von Djokovic. Geht es doch in einem solchen Fall nicht um Recht oder Unrecht, sondern um das Tabu einem Unberührbaren gegenüber. Emotional mit diesem Geschehen identifiziert zu sein weckt spontan ein Gefühl, selbst unantastbar zu sein. Wird Djokovic als Opfer erlebt oder gesehen, erlebt man sich selbst als Opfer.


• „Ich bin, wenn Du nicht bist! Es entsteht ein als absolut erlebter (vermeintlicher) Schutz, der wie eine Geheimmedizin gegen jedwede Unbill oder Infektion von außen schützen soll. Nicht nur das, scheint der Schutz doch gerade darin zu bestehen, dass man sich als In-Group radikal von der Out-Group abgrenzt. Gelingt dies doch auch gerade dadurch, dass man den Andern als „ewigen“ Feind erlebt und mit allen Mitteln bekämpft. Die Vernichtung des Anderen (der Out-Group) kommt dann einer Booster-Immunisierung gleich. Der Kürze eines Blogbeitrags geschuldet (mein heutiger wird vielleicht schon durch die vier Seiten als Zumutung erlebt ????) werde ich in den kommenden Tagen genauer auf die Wirkfaktoren eines emotionalen Milieus eingehen. Dies kann gerade in Zeiten von sogenannten Coronademonstrationen eine besondere Bedeutung haben.