Xi Jinping:  „….große Mauer aus Stahl…“ und die 2242. Jahrfeier Chinas

Die 100-Jahrfeier der Kommunistischen Partei Chinas überrascht nicht nur durch die imposante Inszenierung. Verglichen mit anderen Jubiläen in China besticht sie gewiss durch Größe, Farbenpacht sowie durch eine hervorgehobene Grandiosität.


Hört man und schaut man genau hin, so kristallisiert sich zudem heraus, dass es eigentlich der 2242. Geburtstag Chinas ist. Beschwört der chinesische Präsident Xi Jinping doch das 100- jährige Gründungsjubiläum der KPCh gleichzeitig die Wiedergeburt der chinesischen Nation.


Wie hat es angefangen? Ich erlaube mir an dieser Stelle einen (hoffentlich nicht zu) kurzen Rückblick in die Zeit ca 221 Jahre vor unserer Zeitrechnung zu wagen. Qin Shi Huangdi, der erste chinesische Kaiser, einigte 221 v. Chr. die 7 chinesischen Reiche. Nicht nur das, er installierte auch eine überragende, effiziente innerstaatliche Organisation. Diese drückte sich unter anderem in der Normenregulierung und Ordnung verschiedener Bereiche aus. So initiierte er ein über das ganze Land verteilte Straßen- und Kanalnetz, die Vereinheitlichung der verschiedenen Währungen, die Standardisierung der Schrift u.a.


Er initiierte den Bau der Großen Mauer und nahm auch Einfluss auf die konkreten Lebensgewohnheiten der Bevölkerung. So wurden z.B. in Peking Haus- und Wohneinheiten gebaut (genannt Hutong), die durch eine Mauer umgeben waren. Die Vielheit solcher Einheiten war ebenfalls durch eine Mauer umgeben. Jahrhunderte später wurde die Verbotene Stadt in Peking mit einer Mauer abgeschlossen. Heute sind es z.B. die Zäune, die die Fahrspuren oder Gehwege voneinander abtrennen. Der chinesische Soziologe Sun Longji spricht gar vom „ummauerten Ich“.


Die KPCh verkörpert heute und seit 100 Jahren die Funktion von „Mauer“ in China.


Wenn der chinesische Präsident Xi Jinping die Weltöffentlichkeit vor „…der Großen Mauer aus Stahl…“ warnt, tritt er nicht nur in die Fußstapfen des ersten chinesischen Kaisers. Xi Jinping setzt die Jahrtausendealte Tradition fort. Er beschreibt darüber hinaus die (neue) Große Mauer aus Stahl als virtuelle Mauer, die einerseits vor den globalen (möglichen) Feinden schützen soll. Andererseits appelliert er, wie Qin Shi Huangdi vor 2242 Jahren, an die Einheit der chinesischen Bevölkerung sowie an die Unerschütterlichkeit der chinesischen Nation. Dieser Appell trägt eine unmissverständliche Aufforderung und unverzichtbare Verbindlichkeit zugleich in sich, dieser Botschaft so nachzukommen, wie es die Vorfahrten bereits vor 2242 Jahren gemacht haben / machen mussten.


Das, was „Mauer“ genannt wird, hat in China offensichtlich eine Jahrtausende alte, zentrale gesellschaftliche und politische Funktion. Will man die gestrige Rede des chinesischen Präsidenten Xi Jinping auch historisch verstehen, um auf diesem Hintergrund eine „Ahnung von Zukunft“ zu bekommen, so spiegelt sich darin prinzipiell der Jahrtausendalte Aufruf des ersten chinesischen Kaisers Qin Shi Huangdi, mit aller Wucht.


(Aus Platzgründen kann ich an dieser Stelle nicht näher auf die besondere Funktion von „Mauer“ in China eingehen. Interessierte können mehr darüber in meinem Buch nachlesen: „Begegnungen im Reich der Mitte – mit psychologischem Blick unterwegs in China“, Psychosozialverlag).