autobahnuniversität / Karl-Ludwig Holtz - Entwicklungspsychologische Grundlagen in der therapeutischen Arbeit mit Kindern

Karl-Ludwig Holtz, Grand Seigneur u.a. der Hypnotherapie mit Kindern und Jugendlichen, erzählt zum Auftakt seines inspirierenden Vortrages über den Nutzen der Kenntnis entwicklungspsychologischer Grundlagen für die therapeutische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen die berühmte Geschichte des Menschen, der einen verlorenen Schlüssel unter einer Laterne sucht. Der Mensch hat den Schlüssel zwar nicht dort verloren, und weiß das auch, aber er sucht trotzdem unter der Laterne, weil da eben Licht ist.


Das illustriert laut Holtz die immer wieder heiß diskutierte Frage, welche Rolle Theorie und theoretisches Wissen für erfolgreiche therapeutische Praxis spiele, bzw. ob beides die Praxis nicht eher behindere. Holtz gehört zu der Gruppe der hypnotherapeutischen und pädagogischen Theoretiker und Praktiker, die Milton H. Erickson gerade nicht Theorieferne attestieren, sondern das Gegenteil. Aus guten Gründen und mit solider textlicher Grundlage. Gute Theorie ist die mobile Lampe, die man dorthin mitnehmen kann, wo aufmerksames Suchen Erfolg verspricht. Wer sich wenig oder gar nicht mit Entwicklungspsychologie – hier besonders in der Ausprägung bei Jean Piaget – beschäftigt, läuft Gefahr, hilfreiche therapeutische Interventionen und Instrumente in völlig ungeeigneten Kontexten zu verwenden und wenn nicht Schaden, so doch wenig oder gar keinen Nutzen zu stiften.


Piagets drei Stufen der Entwicklung kindlicher Aufmerksamkeit zu kennen, so Holtz, hilft, den Einsatz von Metaphern, Handpuppen, Geschichten, Humor, Paradoxien oder besonderer formaler hypnotischer Techniken daran zu orientieren, ob das betreffende Kind überhaupt etwas damit anfangen kann. In der ersten kindlichen Entwicklungsphase mit überexklusiver Aufmerksamkeitssteuerung eignen sich eher deutliche äußere Anreize, wie etwa Puppen. In der zweiten Phase, geprägt von überinklusiver Aufmerksamkeitssteuerung (viele situative Aspekte werden wahrgenommen), kann über konkrete innere Vorstellungen, Imaginationen, gearbeitet werden. In der dritten Phase mit sich entwickelnder selektiver Wahrnehmungssteuerung und Beherrschung von Relevanzunterscheidung können Humor, Metaphern und Paradoxien Platz bekommen.


Der Vortrag entwickelt dann anhand eindrücklicher Beispiele diese Relevanz wissenschaftlicher Kenntnisse für die praktische und erfolgversprechende therapeutische Arbeit. Besonders köstlich illustriert dies gegen Ende die berühmte Geschichte des großartigen Janosch Hannes Strokopp und der unsichtbare Indianer. Entwicklungspsychologische Kenntnisse zu haben und zu berücksichtigen führe nicht automatisch dazu, sich in einem psychodynamischen Modell nach dem Muster von Sigmund Freuds aufhalten zu müssen. Therapeutische Sprachen und Settings kreieren allerdings Wirklichkeiten, nicht zuletzt über ihre Metaphern.


Karl Ludwig Holtz ist Professor i.R. für Psychologie in sonderpädagogischen Handlungsfeldern an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Lern- und Entwicklungsförderung, Ressourcenorientierung sowie systemisch-lösungsorientierte Ansätze in Beratung, Supervision und Therapie. Darüber hinaus ist er ein großer Kenner der ganzen Welt der Kinder- und Bilderbücher, Autor und Herausgeber von immer wieder neu aufgelegten Fachbüchern wie Die Pupille des Bettnässers, vielen Artikeln sowie aktuell, gemeinsam mit der französischen Illustratorin und Fotografin Pascale Vervenne, der berührenden Graphic Novel Meine Schwester Nora. Und er verstent es perfekt, Witze und Wein zu machen.


Beim Mund-Nasen-Schutz bleiben die Ohren frei! Also: Ob im Auto oder mit der Maske in der großen weiten Welt: Kopfhörer auf und Autobahnuniversität hören! Jeder Stau bringt Sie weiter. Und, wo es geht, die freien Augen und den freien Geist nutzen: Carl-Auer Bücher lesen!