Sounds of Science / Stefan Steinert - Hypnose und Traditionelle Chinesische Medizin

Dr. Stefan Steinert hat mit Hypnosystemische Kommunikation mit inneren Beratern ein Buch vorgelegt, in dem er seine große Erfahrung in der Integration von klassischer Schulmedizin, Hypnotherapie, Hypnosystemik nach Gunther Schmidt und Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) in ihren nützlichen Konsequenzen für die therapeutische Praxis aufzeigt. Im Gespräch mit Carl-Auer Sounds of Science zeichnet er seinen Weg vom Ingenieur zum Arzt und Psychotherapeuten nach und gibt spannende Einblicke in die enorme Bedeutung von Kommunikation für Behandlungs- und Heilungsprozesse. Welche Rolle kommt hier den fünf Wirkprinzipien der TCM zu? Warum sind spezifische Metaphern wichtig? Was bedeutet und leistet Trance? Heilsame konstruktive Kommunikation ist der Schlüssel zu Heilung und Wohlbefinden; TCM, Hypnotherapie und Hypnosystemik helfen, ihn kunstfertig und patientenorientiert einzusetzen.



Ob im Auto, im Bett, in der Badewanne, mit der Maske im Bus oder im Zug, beim Warten am Bahnhof oder Flughafen, beim Einkauf oder vor der Bank, beim Joggen und Kochen alleine oder mit Partnern: Bleiben Sie wach, mit Carl-Auer Sounds of Science! Und, wo immer es geht, den freien Blick und den freien Geist nutzen: Carl-Auer Bücher lesen, Carl-Auer Wissen nutzen!


Transkription des Interviews


Ohler Lieber Stefan Steinert, hallo, ich begrüße dich bei unserem Gespräch für Carl-Auer Sound of Schön, dass du dir Zeit nimmst, mit Carl-Auer ein Gespräch zu führen. Deine Ausbildungswege sind ja sehr vielfältig, vom Diplomingenieur zum Doktor der Humanmedizin und Arzt zum Therapeuten, zur Traditionellen Chinesischen Medizin und schließlich zum Institutsgründer für Traditionelle Chinesische Medizin und Psychotherapie in Reutlingen. Ich habe bestimmt was vergessen. Was, wenn ich dich so direkt fragen darf, hatte dich vom Ingenieur zum Arzt werden lassen. Und was als Arzt zum Verstehen und Anwenden der Traditionellen Chinesischen Medizin?


Steinert Wirklich eine spannende Geschichte. Ich wollte kurz vorm Abitur, als der erste Berufswunsch da war, Psychotherapeut werden. Das war damals schon so mein Ding. Dann habe ich mich erkundigt und es gab eben nur die Möglichkeit, es über das Medizinstudium oder Psychologiestudium zu realisieren. Und da hat mir damals der Abischnitt nicht gereicht. War halt so. Dann war die Frage: Okay, wie bring ich denn die Wartezeit rum? Also ich wollte es auf jeden Fall tun. Und weil ich aus einer alten Ingenieursfamilie komme – Vater, Großvater und so weiter – die haben mir gesagt: Hey, du bist ein guter Ingenieur. Also gut. Dann habe ich mich zum Bauingenieur-Studium an der Uni in Stuttgart angemeldet. Und das war ein sehr spannendes und interessantes Studium, gar keine Frage. Ich habe unheimlich viel gelernt in dieser Zeit. Vor allem wissenschaftlich denken und die Welt auch mal anders zu hinterfragen. Ja und beim Ingenieur ist es so: zwei und zwei ist immer vier. Punkt. Das ist in der Biologie anders. Da gibt es Überschneidungen, da gibt es die Gauss´sche Verteilungs-Kurve. Und das gab es da ja nicht. Beim Ingenieur ist es so: eins und eins ist zwei. Okay. Ich habe diese Zeit ganz gut rumgebracht und habe den Abschluss auch gemacht. Das hat sich dann einfach angeboten. Ich hätte da schon einsteigen können in das Medizinstudium. Also das konnte ich meinem Vater nicht antun, nach sechs Jahren Studium dann plötzlich alles hinzuschmeißen. Okay, ich habe diesen Abschluss gemacht. War auch gut, weil ich dann die ersten zwei, drei Jahre noch parallel zum Medizinstudium als Ingenieur gearbeitet habe. Ich musste mir das zweite Studium selbst verdienen. War kein Problem, ließ sich alles gut machen. Ich hatte eine andere Einstellung im Medizinstudium, als ich eingestiegen bin. Ich war da neben den anderen, die dann direkt vom Abi kamen und an den Lippen der Professoren hingen. Damals war ja der Chefarzt noch Halbgott in Weiß. Das war genau so, und da gab es keinen Zweifel und nichts. Im Ingenieurstudium gab es – und das war für mich ganz interessant– irgendwann mal später as Fach Fehlerrechnung. Das bedeutete: Es wurde er einmal eingestanden, wenn wir jetzt eine riesen Brücke oder ein Hochhaus bauen, dann muss man immer damit rechnen, dass nicht alles 100 Prozent korrekt ist, sondern dass es Baustoffe gibt, die eben eine Materialbelastung nicht so aushalten, wie es eigentlich auf dem Papier steht. Und dann hat man ein Prozent Fehler mit einberechnet und mal durchgerechnet, das ganze Bauwerk, was passiert, wenn an dieser Stelle das Ding bricht. Kann das dann noch aufgefangen werden? Und dann dachte ich mir, das ist mal interessant, weil das ja ein Eingeständnis ist, dass die wissenschaftlichen Statements, die dastehen, nicht immer korrekt sind, sondern man irgendwie auch mal eingestehen muss, ich liege irgendwo mal daneben. Oder es muss anders gerechnet werden. Es war eine spannende Erfahrung im Hinterkopf, und mit dieser Erfahrung bin ich ins Medizinstudium gegangen. Dann habe ich schon gestaunt, als da absolutistisch kam: So und so ist es und so wird es gemacht. Da regte sich ein Widerstand, und ich bin relativ schnell bei der Alternativmedizin gelandet. Das war damals die Homöopathie. Das war dann relativ schnell auch die chinesische Medizin und andere Naturheilverfahren. Und es war spannend. Das war nämlich gar nicht erlaubt eigentlich. Unseren ersten Homöopathiekurs mussten wir im Keller an der Uni durchführen, und den Hausmeister mit einem Kasten Bier bestechen. Auch später an der Uni, an der Uniklinik und dann bei meinen Assistentenstellen, durfte ich das gar nicht erwähnen, dass ich naturalheilkundlich orientiert bin, oder informiert und interessiert bin. Da wurde mein Vorgänger zum Beispiel entlassen, weil er unserem Chef erzählt hat, dass er gerne Akupunktur macht. Und dann sagte der Chef: Dann haben wir keine gemeinsame Vertrauensbasis mehr. Schluss, aus! Das wurde mir gottseidank vorher zugetragen, und als ich dann das Bewerbungsgespräch führte, habe ich alles unterlassen, von Akupunktur zu reden. Ich habe dann erklärt, dass ich zwei Jahre schon Notarzt und auf der Intensivstation war. Das hat ihn beeindruckt. Alles gut. Also du siehst, es war so eine Parallelwelt. Und als ich vor immerhin 40 Jahren Medizin studiert habe, war es schon fast ein Schimpfwort, wenn du dich psychotherapeutisch interessiert hast, oder für Therapie. Das war so was von ein Nogo. Aber das hat mich trotzdem nicht abgehalten, bei den Psychologen bzw. bei den Soziologen zu schauen. Die beiden Lehrstühle waren ausgegliedert. Meine Doktorarbeit habe in der Medizinischen Soziologie gemacht und war dann schon mal so der Hund, so ein bisschen. Ich kam die Medizin hinein, hatte aber parallel im Gepäck schon ein alternatives Ding, oder komplementäres Ding. Es sollte ja nicht gegen die Medizin, gegen die Schulmedizin sein, sondern: Was ist möglich parallel zur Schulmedizin? Es ging immer um ein ganzheitliches Verständnis. Und dieses ganzheitliche Verständnis basierte vor allem auf naturheilkundlichen Themen, also ich habe da den Arzt für Naturheilkunde noch gemacht, und später den Arzt der Traditionelle Chinesische Medizin. Und wenn man mal so weit ist, dann hat man sehr viel mit Patienten zu tun, die mit der reinen schulmedizinischen Denke, die es damals noch gab, überhaupt nicht zurechtkamen. Und dann habe ich gemerkt, da braucht es auch psychotherapeutische Kenntnisse, da muss ich psychotherapeutisch unterwegs sein. Und so kam ich dann dazu, Psychotherapie zu erlernen. Das ist eine zusätzliche Ausbildung zur Medizin. Das ergab sich dann. Ich habe Verhaltenstherapie erlernt, und als zweites vor allem die Hypnomedizin. Und da bin ich dann hauptsächlich hängengeblieben: Hypnotherapie.


Ohler Ein riesen Spektrum. Und jetzt hast du mir das Stichwort gegeben: Hypnotherapie. Klinische Hypnose und Hypnotherapie sind ja weitere, sehr wesentliche konzeptionelle Orientierungen, methodische Orientierungen für dich. Es gibt viele spezifische Einflüsse, nicht zuletzt aus der Hypnosystemik, wie sie auch in deinem Buch vorkommt. Da kommen wir darauf zu sprechen. Gunter Schmidt, der sie entwickelt hat, hat in dein Buch hineingewirkt, sicher auch Milton Ericksons Ansätze. Was, würdest du sagen, ist da jetzt wiederum noch mal ganz besonders prägend, und zwar so, dass du sagen würdest: Es ist nicht nur für dich unverzichtbar, sondern du würdest dir vielleicht wünschen, es sollte professionell standardisiert und erwartbar sein. Kann man da was sagen?


Steinert Das Manko in der reinen Schulmedizin, das ich im Studium schon während des Studiums am Krankenbett mitbekommen habe, ist: Der eigentliche Austausch mit dem Patienten fehlt. Man macht Laboruntersuchungen, macht die Untersuchung, macht jene Untersuchung, und wenn der Patient was sagen will, lässt man ihn gar nicht ausreden, sondern sagt: Jetzt machen wir erst mal die Untersuchung. Statt dass man dann, wenn man dann weiter fragt, woran es denn noch liegen könnte, im Notfall auch mal den Patienten fragt. Das war eher so ein kleiner Witz am Rande. Mir hat die Definition der WHO gut gefallen: Gesundheit ist demnach nicht, wie oft vermutet wird, allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen als körperliche Eigenschaften, sondern ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Und diesen dritten Aspekt, das soziale Wohlbefinden, lernt man an der Uni überhaupt nicht. Also wir haben das nicht gelernt. Da fängt man ja eigentlich an, in die Psychotherapie einzusteigen. Das waren ungefähr sechs Stunden Psychotherapie im Semester. Ist im Grunde ein Witz gewesen. Hypnosystemisch könnte man das jetzt so formulieren. Die Gesundheit, die Fähigkeit zur Problemlösung und Gefühlregulierung, ist ein positives seelisches und körperliches Befinden. Vor allem vielleicht in einer Art positiven Selbstwertgefühls. Und ein unterstützendes Netzwerk sozialer Beziehungen, also indem ein unterstützendes Netzwerk sozialer Beziehungen erhalten oder wiederhergestellt wird. Nun, dieses positive Selbstwertgefühl heißt also, dass der Mensch mit sich im Reinen ist, für den Körper in einem harmonischen Schwingen verbunden ist. Da sind wir jetzt schon dicht an Gunther Schmidt auch. Diese Harmonie ist ¬– aus Sicht der chinesischen Medizin und anderer Naturheilverfahren, reibungslos im Fluss der Selbstheilungskräfte. Aus ganzheitlichem Verständnis ist es so, dass es dem Körper gut geht, seelisch wie körperlich, wenn sich die Selbstheilungskräfte in einem guten harmonischen Fluss zueinander befinden. Da war eine eigene Erfahrung, noch als Bauingenieurstudent. Ich kam zum Arzt, hatte chronische Gastritis ,und wurde mehr oder weniger schnell abgewatscht mit irgendwelchen Schmerztabletten, die die Sache nicht besser machten. Es war ein Stressding. Die ganze Therapie führt zu einer chronischen Erkrankung, wird auf Dauer dann völlig sinnfrei, wenn ich nicht einen Hinweis bekomme, eine ungünstige Lebensführung oder Lebenseinstellung oder meine innere Haltung zu verändern. Wenn ich das nicht weiß und nicht lerne, dann wird es schwierig. Letztlich geht es also auf persönliche Aspekte hinaus. Wie gehe ich mit meiner sozialen Umgebung um? Wie wirkt sie auf mich? Wie lasse ich sie auf mich einwirken? Wirke ich auf sie ein? Jetzt sind wir mittendrin im Systemischen. Die Frage ist, wie es gelingt, das Beziehungsverhalten der Patienten erst einmal zu erkennen, als Therapeut, um es dann auf eine transparente Art zu thematisieren, damit der Patient selbst höchst wirksam wird und natürliche Lösungsstrategien entwickeln kann, um dann eben aus seiner Problemtrance heraus und in eine Lösungstrance hineinzukommen. Ein Satz von Milton Erickson hat für mich eine ganz große Bedeutung. Er sagt: Hypnose ist ein Lernprozess – also Hypnotherapie – vergleichbar mit der Aneignung des Gefühls einer neuen Sprache. Er sprach von der Anatomie der Menschen, die der Therapeut kennen sollte oder lernen sollte. Also jeder Mensch hat seinen eigenen individuellen Zugang dorthin, der für den einzelnen Menschen, aber auch für den Therapeuten, eine ganz besondere Fähigkeit benötigt, vergleichbar mit dem Erlernen einer neuen Sprache, einer eigenen Sprache, die dann die Verständigung mit dem Unbewussten ermöglicht. Das muss aber geübt werden, wie jede andere Sprache auch. Die Grammatik besteht zum Beispiel unter anderem darin, mal die archetypischen Grundlagen – wie zum Beispiel im Trancemodell der Traditionellen Chinesischen Medizin, die da ja gut strukturiert dargestellt sind – zu erkennen und anzuwenden, um in diesen Austausch überhaupt hineinzukommen. Das heißt: das Trancemodell ist ein Modell für weitere Vokabeln und grammatische Regeln der neuen Sprache, die uns Milton Erickson ans Herz gelegt hat.


Ohler Ja, sehr spannend, sehr umfassend und sehr sortiert. Das finde ich immer so hilfreich für unsere Hörerinnen und Hörer, dass man da einfach ein Gefühl dafür kriegt, wenn man sich dann aufs Lesen einlässt. Noch mal kurz zu TCM, bevor ich dich zu deinem Buch selber fragen will – zu deinem neuen Buch, es ist ja nicht das erste. Machen wir es ganz kurz, Elevator Pitch. Wir haben eine halbe Minute im Aufzug. Wie würdest du zum Beispiel Kolleginnen und Kollegen im Elevator Pitch überzeugen: Befasst euch mal mit TCM, also Traditioneller Chinesischer Medizin, ein bisschen intensiver


Steinert Das ist in der Tat nicht leicht. Erster wichtiger Punkt: Nach dem ganzheitlichen Verständnis in Traditioneller Chinesischer Medizin sind Körper und Seele eine Einheit, die grundsätzlich zusammengehören, zusammen empfinden und zusammen reagieren. Zweitens: Gesundheit liegt dann vor – haben wir schon gesagt – wenn die Lebensenergien, im Cinesischen das Qi – oder die Selbstheilungskräfte sich in diesem harmonischen Fluss befinden. Drittens: Regulation dieses Zusammenspiels. Das geschieht in verschiedenen Zentren des vegetativen Systems, unseres Nervensystems. Steuerzentralen quasi. Und diese entsprechen den Wirkprinzipien und den Wandlungsphasen der Traditionellen Chinesischen Medizin. Und vierter und letzter Punkt: Diese zu erkennen, die aktuellen Stärken und Schwächen dieser Steuerzentralen zu erkennen, um dann den harmonischen Flow wieder herzustellen, das ist das therapeutische Ziel.


Ohler Ja, ich bin ja froh, dass mit dir jetzt weiter im Aufzug bleibe, Da kann ich noch gespannenter zuhören. Danke für die Knappheit. Dein neues Buch hat den Titel Hypnosystemisch Kommunikation mit inneren Beratern. Das ist jetzt der Versuch, jetzt in dieses Thema reinzukommen, von dem her, was du vorher erzählt hast. Und der Untertitel lautet: Mentale Techniken aus der TCM, der Traditionellen Chinesischen Medizin. Und es beginnt mit einem Kapitel, das überschrieben ist mit: Aspekte von Kommunikation aus ganzheitlicher Sicht. Ganzheitlichkeit hast du jetzt schon angedeutet. Und das führt jetzt zu einem, wie du es genannt hast, ASOMA-Kommunikationsmodell. Natürlich kann man das ausführlich nachlesen, aber ich frage mal: Was hat es damit auf sich? Oder gibt es so eine Art Kern in diesem ASOMA-Kommunikationsmodell, den man hier zumindest andeuten kann?


Steinert Ja, ich versuch's mal. ASOMA-Kommunikationsmodell ist eine Abkürzung für Archetyposomatische Marker achtsamkeitsbasierter Kommunikation. Der Kern, um den es da geht, ist, dass man die aktuellen Funktionen dieser Wandlungsphasen – oder die inneren Berater, Regulationszentren, erkennen kann. Man kann sie anhand bestimmter somatischer Marker erkennen. Körperliche und seelische Zeichen sind damit gemeint. Wie ein Mensch reagiert, wie er mit Problemen umgeht, und so weiter, wie er mit seinem Gegenüber umgeht. Das kann man auch nachlesen. Aber das Nachlesen alleine reicht nicht aus, denn der Prozess ist der wirklichen Wahrnehmung, Erkennung und Verinnerlichung hängt davon ab, dass man das über eine bestimmte achtsamkeitsbasierte Wahrnehmungsübung macht; also zum Beispiel Übungen der Selbsttrance oder Meditationen, in denen man lernt, sich auf die Wirkung der Bilder einzulassen, sich dem aber in der Ruhe oder einer bestimmten mentalen Verfassung hingibt, die es mir ermöglicht, diese Bilder besser aufzunehmen, zu erfassen. Das gelingt eben leichter dann in bestimmten Trancezuständen, vor allem, wenn sie mit besonderen Metaphern induziert werden, so wie sie in den Lehrbüchern dieser früheren Kulturen schon verwendet wurden. Das ist deshalb so wichtig, weil diese speziellen Bilder im Unbewussten vorhandene archetypische Wurzeln ansprechen. Dadurch erkennt der Patient leichter, wie die einzelnen Wirkungen vegetativer Systeme, die inneren Berater, miteinander zusammenhängen. Innere Berater, Steuerzentralen. Und das wiederum, und das ist jetzt spannend, führt zu einer höheren Transparenz beim Patienten und dadurch auch zu einer schnelleren Resonanz im Therapieprozess. Dazu muss ich sagen: Ich habe interessanterweise sehr viele Patienten, die aus dem technischen Bereich kommen. Das liegt vielleicht auch an meiner Vorgeschichte. Ich kann die vielleicht schneller oder anders mal anfassen. Vielleicht, weil ich dieser Denke ein bisschen näher bin. Und da ist es manchmal ganz schön schwierig. Also einen Techniker, der sich mit "Psychofuzzis" abgibt – so ist die Rede – findest du selten. Es wird schon schwierig, wenn einem seine Frau sagt: "Geh Mal", dann sagt er "Komm, vergiss es". Und das ist schon schwierig. Und ich fand es immer spannend, diese Menschen sozusagen in ein Gespräch hineinzubringen, dass sie auch bleiben und das nächste Mal möglichst wiederkommen. Das ist schon mal ein Erfolg. Und das ist insofern gut, wenn es dir gelingt, diese Transparenz, von der ich gesprochen habe, herzustellen. Ich brauche Transparenz. Führungskräfte, die tagtäglich in Situationen sind, wo sie was sagen und das auch durchgeführt werden muss, wo alles muss kontrollierbar sein muss, die sich auch selbst dann immer wieder mal in Kontrolle, in Kontrolle begeben müssen: Da braucht es eine klare Ansage, und das muss nicht nur transparent sein – das muss es auch – aber irgendwie müssen sie in einer Selbstwirksamkeit relativ schnell merken, wie das im Körper funktioniert. Und so sind die Übungen auch angelegt. Und mit den Metaphern, mit denen dann die Wirksamkeit oder die Funktion der inneren Berater erklärt wird, fällt das diesen Menschen leichter. Also man kann sagen, ein wesentlicher Impuls zu diesem Buch jetzt ist, dass für mich therapeutisches Handeln untrennbar mit Kommunikation in allen Aspekten verbunden ist. In den naturheilkundlichen Schriften früherer Kulturen wurde diese Verbindung auch schon immer erwähnt, und mit bestimmten Trancebildern werden jetzt Zugangswege und Mittel angeboten, wie ich da näher hin komme. Meine Erkenntnis ...


Ohler Du hast jetzt von den Metaphern schon gesprochen. Das scheint also was ganz Wesentliches zu sein, dass da ein kommunikativer Prozess stattfindet und nicht einfach nur das, was man klassisch als Untersuchungen versteht, wo aber eigentlich nur einer was macht und der andere Patiens, also Patient, Leidender ist, fast doppelt Leidender. Vielleicht übertrieben? Jetzt frage ich doch noch mal nach den inneren Beratern. Es liegt nahe zu fragen: Gibt es da Verwandtschaften mit so Ideen wie Ego Staats oder Inneres Team oder ähnlichem? Oder würdest du sagen: Nein, das ist etwas ganz anderes. Sind da Unterschiede, oder was ist ähnlich, was ist unterschiedlich? Und wo gibt es gute Berührungspunkte zu anderen psychotherapeutischen Ansätzen? Und wovon würden diese anderen Ansätze besonders profitieren, wenn sie sich mit diesem Ansatz, den du vertrittst, im Kontakt zu traditionellen Naturheilverfahren, beschäftigen? Ein ganzes Fragebündel. Also die inneren Berater: Was sind das für Phänomene, wie sind die verwandt oder auch nicht verwandt mit dem, was uns sonst Ego States genannt werden kann, usw.. ?


Steinert Okay, fangen wir erst mal mit diesen Wirkprinzipien der TCM an. Wirkprinzipien oder Wandlungsphasen, das sind, sagt man, Funktionstendenzen. Funktionstendenzen, mit denen ein Individuum in bestimmten Situationen reagiert, wenn es im Stress ist, wenn es in Trauer ist, wenn es in Freude ist. Da reagiert jeder ein bisschen anders, und diese Wirktendenzen, diese Wandlungsphasen oder Wirkprinzipien, vegetativen Funktionstendenzen – das sind alles Synonyme –kann man als Netzwerk-Verschaltungen bezeichnen, dide einfach seit Geburt bzw. vorgeburtlich angelegt sind, aber sich dann immer weiter aufbauen und dann richtig zu Steuerzentralen entwickeln, die dann manchmal auch im Autopilotmodus einfach schnell reagieren. Und dann wundert man sich: Hoppla, warum habe ich denn jetzt so reagiert? Beispiel Autoverkehr, es fährt mir einer rein und so weiter, kennen wir alle. Und darüber mal nachzudenken: Warum reagiere ich so und warum reagiert mein Partner oder meine Partnerin ganz anders? Warum kriegen wir dann Stress miteinander? Da ist es mal ganz interessant zu sehen: Wie sind meine inneren Berater eigentlich aufgestellt? Wie stehen die denn da? Diese inneren Berater kann man sozusagen in fünf Hauptgruppen einteilen, die dann diesen fünf Elementen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin entsprechen, die sich dann widerspiegeln in den fünf Wandlungsphasen. Die differenzieren sich selbstverständlich, je mehr man sich damit beschäftigt, immer weiter nach unten. Aber das ist ein schöner Einstieg. Für den Anfang ist das erst mal richtig gut, vor allem für Patienten, die, sagen wir mal, psychotherapeutisch jetzt nicht so vorgebildet sind oder keine Eingangserfahrung haben. Also gehen wir davon aus, wir haben fünf Hauptgruppen von inneren Beratern, diese fünf Gruppen. Ganz kurz ein Beispiel. Also eine Expedition soll irgendein Gebirgsmassiv erkunden. Es wird eine Expeditionsmannschaft aufgestellt, da braucht man erst mal die erste Beratergruppe. Es ist die Beratergruppe, die wir brauchen bei der Initiierung des Ganzen. Da werden Geldgeber gesucht, da werden dann die ersten Pläne und die Ziele aufgestellt, und so weiter. Da setzt man sich zusammen, und dann stellt man fest: Okay, ist genügend Geld, da sind genügend Leitungsfiguren da, die das Ganze erst mal mitnehmen. Dann sagt man: So, jetzt wird das Ding losgetreten. Das ist der erste Aspekt. Die zweite Phase wäre dann – die erste ist die Holzphase, so sagt man in der Traditionellen Chinesischen Medizin – dann kommt die Feuerphase, da sind die Energien schon aufgebaut, die Energien sind da, die Lokomotive ist quasi am Laufen. Und jetzt muss man mal sehen, dass die Reise gut funktioniert. Da braucht es Kreativität. Da sind zum Beispiel immer irgendwelche Dinge, die nicht so richtig gut laufen. Es kommt was dazwischen. Wir brauchen Kreativität, man muss improvisieren können, und so weiter. Dann gibt´s eine dritte Phase, da wird dann irgendwie das Lager aufgebaut. Und da muss man jetzt mal gucken, ob noch alles da ist. Was brauchen wir noch fürs Weitere? Wir machen mal Manöverkritik. Es wird balanciert zwischen dem, was man mehr braucht und was man weniger braucht. Muss man alles noch mitschleppen, oder kann man das und das verändern? Das war die Phase Erde. Die vierte große Phase entspricht dem Metall. Hier dreht es sich um Beziehungsverhalten, wenn es nämlich schwierig wird. Also angenommen es kommt jetzt irgendwie ein Gewitter oder ein Sturm oder oder oder. Und jetzt muss man irgendwie die einzelnen verschiedenen Expeditionsgruppen zusammenkriegen. Die hatten früher vielleicht ganz unterschiedliche Ziele, aber jetzt ist Not am Mann und es geht vielleicht auch ein Teil des Treibstoffs verloren, oder oder oder. Wir brauchen Sparmechanismen, dann muss man zusammenrücken. Da bin ich gezwungen, Allianzen zu bilden mit anderen Menschen. Also da kommt es ganz stark auf das individuelle Beziehungsverhalten an. Und das fünfte und letzte, das ist das Nierensystem. Also das Element Wasser. Da dreht sich´s darum: Wenn ich mal richtig total unten bin und alles ist total kaputt, der Sturm hat alles kaputt gemacht, das heißt im Grunde, wir haben nur noch das Nötigste zum Überleben. Wie können wir jetzt den geordneten Rückzug organisieren? Wir müssen Wunden verbinden. Wir müssen uns wirklich auf das Allerwesentlichste konzentrieren. Und allen Ballast, den müssen wir es erstmal weglassen. Da muss man sich später drum kümmern. Wie können wir uns auf das Wesentliche konzentrieren, um dann wieder hoch zu kommen ans Tageslicht, quasi, um dann wieder neu durchzustarten. Das wären mal die fünf verschiedenen Beratergruppen. Und es wird klar aus der Bezeichnung, dass es da natürlich ganz viele Untergruppierungen gibt, und Unterspezialisten gibt. Aber man weiß ungefähr, ich habe diese verschiedenen Gruppen. Und wenn ich mal weiß, ich habe diese verschiedenen inneren Berater, die kann ich ansehen wie innere Persönlichkeitsanteile im Menschen, dann komme ich da natürlich schnell an den Begriff der Ego States. Innere Persönlichkeit zu erkennen. Und bei der Arbeit mit Ego States arbeite ich ja hauptsächlich mit individuellen Erfahrungen und Emotionen, die mir der Patient oder der Klient zeigt, mit seinen Überzeugungen; an denen orientiere ich mich, mit denen arbeite ich. In diesem Trancemodell der Traditionellen Chinesischen Medizin habe ich jetzt erst mal diese inneren Berater, die als Gruppen vorgestellt werden, indem ich die erst mal kennenlerne. Schaffe ich erst mal so eine Grundstruktur, dann ist ein anderer Zugang möglich, indem ich dann erst einmal diese Grundstruktur mit dem Patienten zusammen kennenlerne: Wie sieht denn diese Gruppe bei ihnen aus? Spüren wir da mal rein. Das macht man in der Trance. Spüren wir mal in die nächste Gruppe rein, und die übernächste. Wie ist das denn eigentlich bei Ihnen? Sehen Sie denn da Entwicklungen? Sehen Sie denn da Parallelen? Und sie sind die Türöffner-Position zum Unbewussten. Damit fängt man an. Also es bietet sich an als Eingang, und selbstverständlich kann ich dann ohne Weiteres wieder in die freie Assoziation kommen und dann kann ich auch alle möglichen anderen Psychotherapieverfahren damit weiter kombinieren. Also das lässt sich überhaupt ganz gut immer mal wieder einführen. Das ist die Rückmeldung, die ich so von Teilnehmern bekomme, die ja zum Teil ganz andere psychotherapeutische Ausbildungen haben. Die sagen in der einen oder anderen Phase der Therapie oder des Therapieprozesses – vor allem wenn´s mal hängt – dann muss man mal sehen, wie man den Patienten jetzt wieder ins Lot bekommt. Da kann ich dann mal damit arbeiten.


Ohler Klingt sehr attraktiv, einfach auch sehr basal. – Ich muss wieder, wie immer, auf die Zeit gucken. Aber ich muss noch etwas klärendes fragen, bevor die Abschlussfrage kommt. Du hast jetzt ab und zu den Begriff "Trance" verwendet. Es werden ja auch im Buch Tranceangebote und Tranceinduktionen vorgestellt. Und das scheint mir auch etwas zu sein, was den Zugang ermöglicht – du hast von dem Türöffner gesprochen. Vielleicht ein paar Worte dazu, was in deinem Ansatz, TCM und in dem, wie du es jetzt vermittelt hast, unter Trance zu verstehen ist.


Steinert Also ich sehe die Trance als dissoziiertes Bewusstsein mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit aufzugliedern in Wahrnehmung und Informationsverarbeitung, Ziele, sich selbst Vertrauen zu lehren, Ängste fragmentieren. Wir streben den Zustand einer fokussierten Aufmerksamkeit nach innen an, auf verschiedene Bereiche des Unbewussten. So wird es ja manchmal auch definiert. In dem Buch stelle ich, beispielhaft zu den verschiedenen vegetativen Systemen, geführte Trancen vor, mit denen man sich raus nimmt aus dem Alltag und reinkommt in einen Zustand dieser inneren fokussierten Aufmerksamkeit, nur auf einen Berater, auf eine Beratergruppe, zum Beispiel. Das geht ganz schön, zum Beispiel, im Bild des Adlers. Nehmen wir diese erste Beratergruppe, Initiative, und ich brauche einen Überblick. Wir gehen in das Bild des Adlers, der seine Schwingen ausbreitet. Man kann dieses Bild wunderbar ausschmücken. Und dann geht der Patient mit dem Adler, oder guckt ihm zu, je nachdem, wie flugtauglich der Einzelne ist. Das ist das Schöne, das kann ich transparent mit dem Patienten behandeln. Und dann guck immer von oben auf meine eigene Lebenslandschaft runter und schau mal: wo scheint die Sonne, wo scheint sie nicht? Und wo ist denn die Thermik, die mich nach oben trägt? Das sind eben meine Ressourcen. Wo sind meine Ressourcen, die mich dann tragen können? Und damit komme ich in einen Zustand, in dem ich sehr viel leichter erkennen kann, und vielleicht auch ausformulieren kann, wo die Schwächen und wo die Stärken dieser inneren Berater bei mir sind. Und wenn ich mal soweit bin, dann kann ich zum Beispiel mit den Bildern weiterführend fragen: Was würde dir denn jetzt guttun? Und jetzt sind wir dann schon wieder in der individuellen Form, also raus aus der geführten und rein in die freie assoziative Form der Trance. Wo glaubst du, wo kann denn dieser innere Berater bei dir persönlich helfen? Was würde dem guttun? Was würde den stärken? Und dann kommen dann starke Tiere oder oder, mit man dann wunderschön arbeiten kann. Aber mit der Einleitung eben, die ich davor gegeben habe.


Ohler Na ja, also dir zuzuhören – das kann dir einfach rückmelden, bevor die Abschlussfrage kommt – heißt eher die stärkeren Seiten anregen, die stärkenden. – Die typische Sounds-of-Science-Frage, Stefan: Vielleicht gab es ja was im Vorgespräch oder in der Vorbereitung zum Gespräch, wo du gedacht hast: Das wird bestimmt gefragt. Kam aber dann nicht. Du hättest aber gerne gehabt, dass es gefragt wird. Oder beim Gespräch ist dir jetzt irgendwas eingefallen, und du hast gesagt: ich leg´s mal zur Seite und hole es dann später wieder. Jetzt liegt es da aber noch. Oder es liegt dir noch was am Herzen? Ein abschließendes Statement zu geben, was immer es sei.


Steinert Grundsätzlich gebe ich meine persönliche Meinung, meinen persönlich Eindrück, zurück, lieber Matthias. Du hast mich da richtig schön eingeführt und befragt zu diesem Thema. Du hast auch alle Seiten angesprochen, die da sind. Und jetzt will ich vielleicht noch mal zusammenfassen. Das Thema Ur-Verbundenheit ist schon ganz wichtig. Noch mal: Wir lernen alle, wie Medizin funktioniert, wie Psychologie funktioniert und wir lernen die einzelnen Techniken. Und was mir persönlich vielleicht noch mal wichtig ist, ist, diese Techniken auch selbst als Therapeut, vielleicht sogar mit dem Patienten zusammen, tiefer erfahren zu können, erspüren zu können, weil es da noch mal eine neue Form tieferer Resonanz gibt mit dem Patienten. Die Urkraft Erde mal als Stabilisierungsfaktor wahrzunehmen, die Ur-Verbundenheit, das ist eines der ältesten archetypischen Bilder: Ich lass mich tragen von der Urkraft Erde, die Mutter Erde, die heilige Erde oder oder oder. Das fließt dann auch in viele religiöse und spirituelle Richtungen hinein. Das kann man alles utilisieren, das kann man alles mit hineinnehmen. Und wenn es mir gelingt – in diesem Bezug zur Urkraft Erde – zu erkennen, es dreht sich nicht nur darum, gehalten zu werden, sondern auch mein Leben, meine Lebensfunktionen, nämlich die der Atmung zum Beispiel, mit mir zu verbinden. Also ich atme ein, bekomme Energie, und beim Ausatmen kann ich spüren, wie ich mich verbunden fühle, wie ich loslassen kann, wie ich getragen werde beim Ausatmen. Das ist ein wesentlicher Punkt in diesen ganzen Meditations- und Trance-Geschichten, die man gut verbinden kann damit, beim Ausatmen die Trance zu vertiefen, das Loslassen zu vertiefen. Und das besser mit reinzunehmen in die Therapie oder vielleicht in sein therapeutisches Konzept. Meine Erfahrung, oder die Rückmeldung meiner Klienten, zeigen, dass sich das viele früher schon mal gewünscht hätten, um es mal so zu sagen. Oder dass das eben eine Art und Weise ist, die sie jetzt auch wirklich anspricht und dann auch weiterführt. Das ist der wesentliche Impuls: Erkennen, dass therapeutisches Handeln untrennbar mit Kommunikation verbunden ist. Und in den naturheilkundlichen Schriften werden uns immer wieder Wege und Bilder gezeigt, wie man sich dem Ziel einer heilsam konstruktiven Kommunikation nähern kann. Und ich hoffe, mir gelingt es, das in dem Buch auch so rüberzubringen.


Ohler Ich danke dir sehr für dieses wirklich aufschlussreiche und ideentreibende Gespräch, für das Buch natürlich im Namen des Hauses, für das Buch im Namen der Leserinnen und Leser, die es dann in die Hände bekommen werden. Und ich freue mich, wenn wir uns auf dieser Erde bald wieder persönlich treffen dürfen.


Steinert Auf weitere Zusammenarbeit.