Wissenschaftskooperation zwischen Deutschland und China ist immer (auch) Wissenschaftspolitik

Vor einiger Zeit ist in Deutschland eine intensive, kontrovers geführte Diskussion über den wissenschaftlichen Austausch sowie die Kooperation zwischen deutschen und chinesischen Universitäten / Forschungseinrichtungen entstanden. Die Bundesregierung will Spionage und Abfluss von Wissen verhindern. Einige Wisssenschfaftsvertreter betonenmögliche Gefahren. Die andere Seite will nicht auf Erkenntnisse verzichten, die sich aus der Zusammenarbeit mit China ergeben.


Inzwischen hat sich die Bundesregierung in ihrer Chinastrategie hierzu geäußert. Demnach sollen die Wissenschafts¬beziehungen werte- und interessengeleitet weiterzuentwickeln sein, auch im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften. Dies soll unter Achtung des verfassungsrecht¬lich verbürgten Grundsatzes der Freiheit der Wissenschaft und der damit verbundenen Verantwortung geschehen. Risiken für die Freiheit von Forschung und Lehre, illegitime Einflussnahme und einseitiger Wissens- bzw. Technologietransfer sollten dabei minimiert werden. Die Bundesregierung versteht ihren Standpunkt als Teil ihrer zugrunde liegenden Sicherheitspolitik. Einerseits betont sie die Wichtigkeit der Freiheit von Forschung und Lehre. Andererseits will sie der möglichen Gefahr des „Dual-Use“ vorbeugen (Unter Dual-Use wird die mögliche Nutzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen für militärische Zwecke gesehen).


Die deutsche Wissenschaftsministerin Stark-Watzinger stellt daher die Wissenschaftsbeziehungen zu China auf den Prüfstand. Multipolarität, Cyberbedrohungen und systemische Rivalität würden gerade mit China stetig zunehmen. Kooperationen müssen daher, so die Ministerin, direkt und strikt mit den sicherheitspolitischen Interessen in Einklang gebracht werden.


Prof. Dr. J. Mukherjee, Präsident des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst). stimmt der Ministerin im Prinzip zu, äußert zugleich die Überzeugung, dass man aber mit dem ministeriellen Misstrauens-Konzept sehr behutsam umgehen sollte. Von vornherein pauschal eine Politik der Roten Linien (red-line-politics) zu fahren, sei nicht nur unklug, sondern führte auch zur Abschottung China gegenüber. Der Präsident des DAAD führt sein Verständnis der DAAD-Strategie durch die Betonung aus, dass sie immer auch als Außenwissenschaftspolitik im Sinne von Science Diplomacy verstanden werden muss. Sind doch der „akademische Austausch und die Wissenschaftskooperation prägend für die Wahrnehmung Deutschlands in der Welt….und eben keine akademische Folklore.“ Und geht es doch vornehmlich darum, mit „anderen gemeinsam eine regelgeleitete Weltordnung zu gestalten und weiterzuentwickeln“.


Diese wissenschaftspolitisch begründete Strategie des DAAD ist daher auch sicherheitsrelevant. Sicherheit bestünde nicht nur darin, so Mukherjee, in der Produktion oder Lieferung von Waffen, sondern gerade durch diese Art von Wissenschaftskooperation. Mukherjee stimmt grundsätzlich mit dem umfasssenden Sictsbegriff der Bundesregierung überein. Betont gleichzeitig jedoch dass jeder Bereich seinen eigenen Beitrag zu einer Erhöhung von Sicherheit leisten sollte.


Er bezieht konkret insoweit Position, als er die Rolle des DAAD klarstellt: „Wir haben in Deutschland keine Kommandowissenschaft. Es wird nicht in einem Ministerium etwas entschieden und dann von uns im Nachgang einfach vollzogen. Sondern es ist immer ein partnerschaftlicher Aushandlungsprozess“. Wissenschaftskoperation ist immer auch prägend für die Wahrnehmung Deutschlands in der Welt.


Chinas Entwicklung im Bereich Technologie- und Erkenntnisfortschritt ist rasant vorangeschritten. Der Westen ist China nicht mehr überlegen. Studien z.B. aus Japan zeigen, dass China bereits die USA in der Wissenschaftsentwicklung überholt hat. Es kann daher nur im Interesse Deutschlands liegen, von dem chinesischen Fortschritt zu profitieren. Vielfach wird in Deutschland noch in der traditionellen Rolle von der globalen Stärke des Westens gedacht. Stärker mit China zusammenzuarbeiten, so der DAAD, wenn es vertretbar ist, sollte deutlich verstärkt werden.


Die intensive, kontroverse, stellenweise polemische Diskussion um Wissenschaftsaustausch mit China trägt zunehmend polarisierende Züge und spiegelt insoweit die medial inszenierte Polarisierung, die wiederum auch Ausdruck in der Chinastrategie der Bundesregierung gefunden hat. Während die Einen unmissverständlich Kritik sowie den tatsächlichen Bruch, die Nicht-Verlängerung von Verträgen oder Nicht-eingehen von Kooperationen einfordern, zielen andere auf ein verbessertes und differenziertes Chinaverstehen ab. Chinakritiker heben bei der Betrachtung von Wissenschaft auf den Unterschied ab zwischen den beiden politischen Systemen. Politische Einflussnahme auf Wissenschaft oder gar Zensur behindere in China, so die Ausführungen, die unabhängige, freFe und transparente Praxis von Wissenschaft in China. China ist auf dem Academic freedom Index weit hinten während deutschland ganz weit vorne ist.


Andere Wissenschaftler wenden sich deutlich gegen die Gefahr einer gesinnungsethischen (moralischen) „Eignungsprüfung“, die den Chinaforscher*innen von den Vertretern des chinakritischen Narrativs, das den öffentlichen Diskurs zunehmend prägt, abverlangt werde. Wissenschaft muss, so heißt es ungeschminkt in der FAZ, müssen offen für unerwartete Ergebnisse sowohl in Bezug auf ihre Forschung als auch auf mögliche Veränderungen im gesellschaftlichen Kontext bleiben. Reflektiert sich seriöse Wissenschaft doch ständig selbstkritisch. Wissenschaft steht nicht im Dienst einer politischen Überzeugung, sondern muss davon losgelöst betrieben werden. Dies stellt sicherlich hohe Anforderungen an Wissenschaft, will sie sich doch die Verantwortung für ihre Selbstpositionierung nicht aus der Hand nehmen lassen. N. P. Thomas, China-Chef von Springer Nature, spricht sich eindeutig für Offenheit bei der gemeinsamen Forschung aus. Es gäbe, so betont er, einen Qualitätssprung bei den Publikationen durch chinesische Wissenschaftler. Dieser bringt auch einen Schub an internationaler Anerkennung, zumal immer mehr Arbeiten in Zusammenarbeit mit westlichen Institutionen verfasst werden. Im Übrigen gäbe es viele Themen, bei denen man von chinesischer Beteiligung stark profitieren könne.


Zwar gäbe es zahlreiche Kritikpunkte (wie z.B. „Dual-Use“) doch ist dies kein grundsätzlich chinesisches Problem, sondern eine allgemeine Anforderung an Wissenschaft weltweit. 2020 hat China offenbar die USA als Nation mit der größten Produktion von Wissenschaftsergebnissen abgelöst. Und doch, so Thomas, darf Quantität nicht mit Qualität gelichgesetzt werden.


Eine wichtige Orientierung in Bezug auf wissenschaftliche Reputation ist die Zitierpraxis. Interessant sei, dass Publikationen, die von chinesisch-deutschen gemischten Autorenteams im Durchschnitt öfter zitiert werden, sowohl mehr als deutsche oder chinesische allein. Im Übrigen seien neu entwickelte wissenschaftliche Fachzeitschriften auch eine Bereicherung für das globale Wissen.


Der Sinologe Klaus Mühlhahn bringt das Spannungsfeld bzw die hiermit verbundene Herausforderung auf den Punkt: „Im Wettbewerb mit China geht es aber nicht um Ideologie, sondern um die Leistungsfähigkeit der Systeme. Natürlich sollten wir uns im Umgang mit China von unseren Werten und Normen leiten lassen; im Kern muss sich im Wettbewerb mit China jedoch die Kapazität der demokratischen Ordnung beweisen.“