Das Versagen des Olaf Scholz

Das Ansehen der aktuellen Bundesregierung ist, wenn man den Umfragen trauen darf, ziemlich mies. Nur 19% Zustimmung zu ihrer Politik.


Das ist erklärungsbedürftig, denn so lausig ist diese Politik ja nicht, wenn man sich vor Augen hält, wie die Weltlage ist und welche Probleme der Ukraine-Krieg für Deutschland verursacht hat. Noch vor einem Jahr wurde diskutiert, ob wir im Winter einen Energiemangel haben werden, der uns das warme Duschen verbietet. Schließlich sind wir – das ist wohl Teil unserer Identität – ein Volk von Warmduschern. Das wäre arg geworden, und wahrscheinlich hätte dann nicht nur die Regierung so manchem gestunken… Aber sie hat das Problem bewältigt. Und auch viele andere (wie z.B. durch die Beschleunigung einiger bürokratischer Prozesse).


Aber, so meine These, es geht nicht um die Inhalte der Politik, sondern um das Bild, das die Regierung öffentlich abgibt. Und hier kommt Olaf Scholz ins Spiel – d.h. seine Inkompetenz. Offenbar hat er keine oder eine verfehlte Idee über die Funktion eines Hierarchen. Denn die besteht darin, innerhalb der eigenen Organisation bzw. eines Entscheidungsgremiums (hier der Regierung) dafür zu sorgen, dass Entscheidungen getroffen werden. Eigentlich braucht man Hierarchen nur (!) dafür. Immer wenn Konflikte (seien sie auf der Sach- oder Beziehungsebene) dafür sorgen, dass nicht gehandelt wird oder werden kann, dann ist es Aufgabe und Funktion des Hierarchen, sich einzumischen und zu schnelle Entscheidungen zu verhindern oder zu langsame Entscheidungsprozesse zu beschleunigen bzw. selbst zu treffen. Er kann also moderierend wirken, er kann aber auch das berühmte Machtwort sprechen.


Nicht, dass Konflikte generell vermieden werden sollten, denn sie können – auf der Sachebene – der Weg zu intelligenteren Entscheidungen sein. Aber das funktioniert nur, wenn sie nicht für die Beziehungsklärung oder Machtkämpfe missbraucht werden. Wer als Hierarch Beziehungskonflikte auf der nächstniedrigeren Hierarchieebene zulässt, kann damit seine Macht absichern, weil er bestimmt, wer gewinnt. Das ist eine Absicherungsstrategie, wie sie von Diktatoren wie Hitler und Mobutu perfektioniert wurde (ich studiere gerade – nach Stalin – generell Diktatoren und ihre Machtstrategien). Innerhalb einer Diktatur funktioniert das, aber nicht in einer Demokratie. Denn hier wird solch ein (öffentlich ausgetragener) Konflikt innerhalb einer Regierung von der Wahlbevölkerung als Unfähigkeit zu handeln interpretiert.


Das ist es, was im Moment das Ansehen der Regierung in den Keller schickt. Es dürfte das Kalkül von Scholz gewesen sein, dass der Krieg der FDP gegen Habeck ihm einen chancenreichen Konkurrenten von Hals schafft. Und es dürfte das Kalkül der FDP gewesen sein, dass sie sich – kurz vor dem 5% Abgrund – so noch profilieren und retten kann. Aber für die Regierung insgesamt musste das Resultat beider Kalkulationen vorhersehbar negativ sein. Das Veto von Frau Paus dürfte zum einen Nachtarocken gewesen sein, vielleicht aber auch ein Knüppel, der Habeck vor die Beine geknallt wurde, um innerhalb der Grünen Zeichen zu setzen.


Für die FDP mag die Rechnung aufgehen und sie – trotz idiotischer Wasserstoffstrategien, dem verhinderten Tempolimit und anderer Schwachheiten – in ein paar Landtage retten. Für Olaf Scholz dürfte die Rechnung aber nicht aufgehen. Denn er hat versagt. Seine Aufgabe wäre es gewesen, die sachlichen Konflikte innerhalb der Regierung hinter der Bühne austragen zu lassen, das Durchstechen (Stichwort: Heizungsgesetz) von Informationen zu entmutigen, Konflikte zu moderieren oder eben zu entscheiden. All dies hat er nicht getan – ich vermute aus mangelndem Verständnis der Funktion von Hierarchie oder auch zu kurzfristigem Denken, aber sicher nicht aus rationalem und abwägendem Bedenken.


Er wird daher aller Wahrscheinlichkeit nach abgestraft werden, Kurzzeitkanzler bleiben und nicht wiedergewählt werden. Die SPD wird mit ihm abgestraft werden. Dass diese Gehickhacke die FDP rettet, kann bezweifelt werden. Die Grünen werden sich wieder einmal erholen, da ihre Anliegen für alle nach und nach Bedeutung gewinnen wird (ungeachtet weiterer, zu erwartender handwerklicher Fehler – aber da sind sie ja eh nicht allein). Die AfD wird weiter an Zustimmung gewinnen, solange der offene Streit in der Regierung anhält. Leider garantiert ihr Nullprogramm nicht, dass sie nicht gewählt wird.