Deutschland GmbH

Die Bundesrepublik ist kein Staat, sondern eine in Frankfurt am Main registrierte Firma namens Deutschland Finanz GmbH im Besitz der USA. Das sagen jedenfalls die Reichsbürger, von denen es etliche Gruppierungen gibt. Für sie besteht das Deutsche Reich in seinen Grenzen von 1937 oder gar 1914 oder 1871 fort. Schließlich habe Deutschland keine Verfassung, sondern nur ein vorläufiges Grundgesetz; und auch keinen Friedensvertrag mit den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges. Die GmbH diene ausschließlich der Ausbeutung des deutschen Volkes; Reichsbürger erkennen ganz praktisch die staatliche Hoheit der Bundesrepublik Deutschland nicht an: Sie weigern sich deshalb immer wieder, Steuern oder Strafgebühren zu bezahlen.


Verschiedene Kommissarische Reichsregierungen (KRR) und andere erfundene Körperschaften stellen gegen Entgelt Reichspässe und -personalausweise aus, auch Reichsführerscheine, Reichsbaugenehmigungen und -gewerbescheine. Dies ist ihr Hauptgeschäft. Solche Dokumente sind zu nichts nütze, aber als Fantasiepapiere meistens straffrei. Sie dienen ihren Ausgebern als Geschäftsmodell und den Käufern als kultiges Bekenntnis gegen das demokratische Deutschland.


Die meisten Reichsbürger leugnen den Holocaust, und viele äußern sich antisemitisch. Beliebt sind Theorien über sogenannte Chemtrails.


Verfassungsschützern gelten die Gruppen jahrelang als esoterische Spinner.


Bei einer Razzia im fränkischen Georgensgmünd erschießt dann aber am 19. Oktober 2016 der rechtsextreme Reichsbürger Wolfgang P. einen Polizisten und verletzt weitere Beamte zum Teil schwer. Die Polizei findet zahlreiche Waffen.76 Im Januar 2017 wird bei einer bundesweiten Razzia eine rechtsextreme Reichsbürger-Gruppe um den Schwetzinger »Neo-Druiden« Burghard B. zerschlagen. Laut Bundesanwaltschaft plante die Gruppe mittels Waffen und Sprengstoff Angriffe auf Polizisten, Asylbewerber und Juden. B. hetzt auch gegen Muslime. Gegen die Beteiligten wird wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsextremistischen Vereinigung ermittelt.77 Der Vorwurf lässt sich nicht beweisen, und die Bundesanwaltschaft gibt den Fall an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe zurück. Sie erhebt im Februar 2019 Anklage wegen Waffenbesitzes und Volksverhetzung (»Rhein-Neckar-Zeitung«, 06.07.2019, S. 9).


Neue Ermittlungen setzen ein, nachdem B., alias »Burgos von Buchonia«, auf der russischen Plattform vk.com


»den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke begrüßt und zu Angriffen auf Kommunalpolitiker, deren Familien sowie Journalisten aufgerufen hat. Der Mord an Lübcke dürfe ›kein Einzelfall bleiben‹; ›Deutschfeinde‹ würden ›ab jetzt hingerichtet‹.«


Und weiter:


»Es sei ›die Zeit der aktiven Notwehr gekommen‹ [...] › ›Täter und Helfer, Beschützer und Nutznießer‹ einer angeblichen ›Invasion‹ krimineller Einwanderer nach Deutschland müssten ›successive getötet werden‹«.


Die Szene ist zwar klein, findet aber zeitweilig große Beachtung. Denn auch der Popstar Xavier Naidoo (»Söhne Mannheims«) bestreitet die Existenz eines souveränen Deutschland und beklagt die Dominanz der USA in der szeneüblichen Weise. Sein Auftritt bei einer Reichsbürgerveranstaltung in Leipzig 2015 sorgt für Aufsehen und Furore. Naidoo ist ein wichtiger »Kulturbotschafter« Mannheims. Dem Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz gelingt es im Frühjahr 2017 nicht, von Naidoo eine klare Distanzierung gegen rechts zu erwirken. Etliche millionenschwere Mannheimer Kulturprojekte in Zusammenarbeit mit Naidoo stehen auf dem Prüfstand. Naidoos Album »Hin und Weg« aus dem Juli 2019 enthält keinerlei Anhaltspunkte mehr für irgendeine politische Einstellung.


Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gibt die Anzahl der Reichsbürger im Mai 2017 mit 12 600 an, 700 davon seien rechtsextrem, etwa 700 besäßen Waffen. Das Amt arbeite auf einen Entzug der Waffen hin, heißt es. Für 2018 rechnet das BfV mit rund 19 000 Personen. Davon gelten 950 Personen als Rechtsextremisten. 910 von ihnen besitzen Waffen. Es wird geschätzt, dass von 2015 bis Mitte 2017 mehr als 10 500 Straftaten durch Reichsbürger begangen wurden.


Als Ursprung der Bewegung wird häufig Wolfgang Ebel angegeben, ein Fahrdienstleiter der Westberliner S-Bahn, der dort 1985 die Kommissarische Reichsregierung (KRR) gründet.


»Ebel schuf damit die erste Organisation der Szene. Die Ideen aber stammen von notorischen Rechtsradikalen: dem Terroristen Manfred Roeder und dem Holocaustleugner und Volksverhetzer Horst Mahler. Michael Hüllen vom Brandenburger Verfassungsschutz sieht drei Untergruppen in der Szene: erstens die Staatsverdrossenen, die einen Kanal für ihren Frust und ihre Probleme suchen. Zweitens die Milieumanager, die einerseits mit Fantasiedokumenten Geld verdienen, andererseits aber auch den Staat destabilisieren wollen. Und drittens die politisch Bewegten, die aktiv an der Abschaffung der Demokratie arbeiten«.