Nazikeule

Du schwingst die Nazikeule, sagt einer, der mit Nazis verglichen wird, wenn er meint, zu Unrecht mit Nazis verglichen zu werden. Er sagt, mit diesem Vergleich, einem Totschlagargument, wolle der Gegner ihn mundtot machen und ausgrenzen. Die Wehklage über die Nazikeule wird ab 2015 gebräuchlich in neurechten Internetforen, nach dem Muster: »Man wird ja noch was (Rechtes oder Rassistisches) sagen dürfen, ohne gleich ein Nazi genannt zu werden.« Der Blogger Sascha Lobo meint dazu:


»... Her mit der Nazikeule! ... Deshalb plädiere ich hiermit für die gezielte Verwendung der Nazikeule (und damit implizit für eine Umdeutung des Begriffs). Wann immer rechtsradikale Thesen geäußert werden, sollen sie rechtsradikal genannt werden. Wann immer rechte Menschenfeindlichkeit augenzwinkernd angedeutet wird, soll sie rechte Menschenfeindlichkeit genannt werden. Denn die Existenz des Begriffs Nazikeule zeigt auch, dass selbst die meisten Leute mit rechtsradikalen Positionen nicht Nazis genannt werden wollen. Immerhin. Es handelt sich also um einen wunden Punkt, sonst müsste dafür eben keine Schutzpose, keine Abwehr eingenommen werden. Hier lässt sich ansetzen.«


Die Nazikeule des 21. Jahrhunderts ist eine Tochter der, verkürzt gesagt, »Auschwitzkeule« des Schriftstellers Martin Walser. In seiner Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels am 11. Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche klagt er:


»Wenn mir aber jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten wird, merke ich, dass sich in mir etwas gegen diese Dauerpräsentation unserer Schande wehrt [...], die Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken. Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung.«


Der Nazi-Vergleich ist in der etablierten westdeutschen Politik eigentlich immer tabu gewesen, allerdings nicht so im Volksmund. Linken studentischen Aktivisten um 1968 hallt von der Elterngeneration oft genug der Vergleich mit den Nazis entgegen: »SA marschiert.«


Auch gibt es immer wieder den Angriff auf die »Linksfaschisten«, zunächst nach dem Diktum des (linken) Frankfurter Philosophen und Sozialdemokraten Jürgen Habermas, das er jedoch selbst wieder zurückzieht (Stern et al. 1974, S. 483).


Er meint damit gewaltbereite Kadergruppen innerhalb der studentischen Linken, die sich zunehmend an der Kommunistischen Partei der Sowjetunion der 1930er-Jahre, später an den sogenannten Mao-Tse-tung-Ideen, an Josef Stalin und Gestalten wie Enver Hoxha (Albanien) und Pol Pot (Kambodscha) orientieren. Diese studentischen Linken organisieren sich später nach ihren jeweiligen Vorbildern in den sogenannten K-Gruppen bzw. K-Parteien.