Met(t)a
Das Krähennest bietet methodische Möglichkeiten für eine hypnosystemisch orientierte Soziale Arbeit. Der reflexionsreflexive Zugang ermöglicht einen Mehrwert sowohl für die Professionelle der Sozialen Arbeit als auch für den Klienten. Letztendlich kann es sich auch positiv im Sinne der Auftragsgestaltung und des Outcomes auswirken.
Damit diese positive Wirkung sich einstellen kann, müssen wir zunächst zwei Ebenen unterscheiden. Es gibt erste Ebene, eine Kommunikation der ersten Ordnung. Das ist eine Ebene, auf der direkt und unvermittelt auf das Kommunizierte reagiert wird. Diese Ebene nimmtdas Kommunizierte als das "krud gegebene" wahr und ist eher phänomenologisch interessiert: was ist. Worüber wird gesprochen? Was sagt die Klientin? Wie kann ich zu ihr in Kontakt kommen?
Diese erste Ebene ist eine Ebene, die der Alltagskommunikation sehr stark ähnelt. Sie ist eine Form der Kommunikation, die Klientinnen ebenso aus dem Alltag bekannt ist. Diese Kommunikation bildet - systemisch gesprochen - die Heimatwelt der Klientin.
Davon hebt sich die Kommunikation zweiter Ordnung ab, eine Ebene, die nach Sinn, Bedeutung und Kontext der Kommunikation fragt. Diese Ebene schaut nicht nur, was gesagt wird. Sie prüft, wie es zu dem kommen könnte, dass eben dies - und nichts anderes - gesagt wird. Und sie prüft welche Faktoren dazu führen. Zudem versucht sie die Wirkung des Gesagten zu erfassen. Dies ist eine viel umfassendere Ebene in Deutung und Analyse. Diese zweite Ordnung wird durch Metakommunikation erreicht. Ich nenne sie fortan die Metaebene.
Das Krähennest könnte als diese Metaebene verstanden werden. Gemeinsam mache ich mich mit dem Klienten ins Krähennest auf und blicke auf die Situation. Ich verschaffe mir einen Überblick. Ich gehe auf Abstand zum alltäglichen Gewusel. Ich analysere Kontext und deute die Wirkung. Die Metakommunikation ist eine wichtige Technik für die (psychosoziale) Beratung, um Inhalte und Interaktionen verständlicher und zielführender zu machen.
Jetzt möchte ich eine weitere Unterscheidung einführen. Denn manche könnten dies als eine reine Kopfebene behandeln, eher abstrakt oder "blutleer", wie Nietzsche sagen würde. De Technik der Meta-Ebene könnte als ein technokratischer Aspekt, als kühles Kalkül interpretiert werden. Die Verbindung mit der Mettaebene, einer Haltungsebene, rundet den Zugang ab. Diese von Gerald Hüther genannte Subjekt-Subjekt-Beziehung ist methodisch wertvoll.
Der heutige Beitrag untersucht und beschreibt diese Verbindung der Kopf- und der Haltungs-Ebene.
Damit diese Verbindung nutzbringend erfolgt, wird der Beitrag die Verbindung der Metaebene und der Subjekt-Subjekt-Beziehung auf hinsichtlich dreier Positionen erforschen: dem ICH (meiner eigenen Rolle in der Sozialen Arbeit), dem DU (der Klientin beziehungsweise dem Klientenfeld) und dem ES (dem Auftrag beziehungsweise Ziel der Dienstleistung).
Beginnen wir mit dem ICH.
Hypnosystemisch orientierte Profis der Sozialen Arbeit sind im Zugang zu sich sich selbst an drei Prinzipien interessiert: Selbstwahrnehmung, Selbstreflexion und Selbststeuerung.
Die Selbstwahrnehmung umfasst das Bewusstsein für sich selbst und die eigene hypnosystemische Eingebundensein in die Situation. Wahrgenommen wird zum einen das, was ist (also die aktuelle Sinneserfahrung und deren Wirkung in Seele, Körper und Geist). Wahrgenommen wird auch meine Interaktionspartnerin und die uns verbindende Situation als örtlicher, zeitlicher und sachlicher Kontext.
Die Selbstreflexion zielt auf die Wirkung dessen ab und wägt unter funktionalen Aspekten ab. Wie wirkt es auf mich? Auf den Klienten? Auf unser gemeinsames Ziel? Was ereignet sich in mir? In der Klientin? Im Prozess? Und wie hängt dies zusammen? Wie wirkt sich dies aus?
Ich trenne hier bewusst die Selbstwahrnehmung von der Selbstreflexion. Wahrnehmung und Reflexion sind unterschiedliche Ebenen für mich. Wahrnehmung bedeutet eben das: Was kann ich überhaupt wahrnehmen. Durch Selbsterfahrung und Lebenserfahrung verändert sich die Wahrnehmung. Achtsamkeitsbasierte Zugänge, wie Jan Eßwein berichtet, versuchen die Wahrnehmung des Menschen zu erhöhen. Wahrnehmung ist eine Frage von Anwesenheit, von Präsenz. Es ist eine Frage des bewussten Zuganges zu einer Situation, zu einer Klientin. Die Reflexion hingegen ist ein Prozess der Wahrgebung, so könnte man hypnosystemisch sagen. Ich gebe dem Wahrgenommenen eine Bedeutung, einen Zusammenhang (sei es nun kausal oder zirkulär). Die Wahrnehmung liefert das Meratial für die Reflexion. Diese wiederum versucht Erklärung und zieht Schlüsse.
Die Selbststeuerung avisiert methodische Zugänge, um Situationen zieldienlich zu gestalten. Diese drei Elemente spielen ineinander und ermöglichen einen wirkungsvollen Zugang zu Klienten. Dies ist ein eigenständiger Schritt. Ein Beispiel:Ich könnte etwas erkennen,aber nicht umsetzen. Die Selbststeuerung meint, bewusst Prozesse in Gang zu setzen,um die Wirkung zu gestalten.
Alle drei Elemente beinhalten den Zugang über die Meta-Ebene. Die Meta-Ebene ist nach Gunther Schmidt ein wichtiges Werkzeug für Selbst-bezogene Aspekte in der professionellen zwischenmenschlichen Kommunikation und Kooperation.
Profis der Sozialen Arbeit nehmen sich selbst gegenüber eine Beobachtung zweiter Ordnung ein. Sie nehmen sich selbst und die Situation in den inneren („hypno“) und äußeren („systemisch“) Faktoren wahr, um das Geschehen in Bezug auf die Auswirkung zu überprüfen und gegebenenfalls Impulse in die funktional gewünschte Richtung zu setzen.
Die Reflexionsebene könnte, wie zuvor beschrieben, ein rein „kopfige“ sein beziehungsweise werden, was Auswirkungen auf die Selbstbeziehung und Selbstaktualisierung haben könnte. Der Kopf alleine, so die heutige Hypothese, sei zu wenig. Es brauche das „Blut“, gepumpt vom Herz.
Was meine ich damit?
Gerald Hüther spricht von der Subjekt-Subjekt-Beziehung und grenzt diese von der Subjekt-Objekt-Beziehung ab. Er spricht von der Begegnung und von einer grundlegenden Haltung in Zugang zu Menschen. Damit sind nicht nur andere gemeint. Ich ziele auf die Selbstbeziehung ab.
Profis der Sozialen Arbeit „haben ein Herz für sich selbst“, sind in der Selbstbeziehung mitfühlend. Das ist der Mitgefühls- beziehungsweise Metta-Begriff in Bezug auf sich selbst, auf das ICH.
Entscheidend ist nicht nur, ob ich mich wahrnehme und wie ich mich reflektiere. Es ist die Frage, was ich daraus für Schlüsse und Taten ziehe. Wirksam ist, wie ich zu mir selbst in Beziehung gehe.
Ob ich das ICH beutle, schimpfe, ziehe, maßregle, lobe, streichle, behüte. Die Meta-Ebene liefert die Analyse, die Reflexion, die Mettaebene das „Blut“.
Wenn ich mich selbst zum Objekt meiner Reflexion mache, verliere ich die Metta-Ebene – und das mit konkreten Auswirkungen. In den Worten der Transaktionsanalyse würde ich eine Nicht-OK-Beziehung zu mir selbst eingehen. Wir steuern aber das Ich-bin-OK an. Das Mitgefühl beziehungsweise Metta zum eigenen ICH ist relevant.
Die Verbindung von Meta und Metta ergibt das Met(t)a. Beide Seiten der Münzen. Im ICH ist der Met(t)a-Zugang ein ganzheitlicher Schritt mit positiven Auswirkungen.
Auch für das DU – die Klientin – hat dies konkrete Folgen. Ich könnte den Klienten zum Objekt meiner Intervention machen. Ein technizistischer Zugang, sozusagen. Ich repariere die Klientin und deren soziomaterielle Situation. Ich vermittle zwischen ihr und der Gesellschaft und werde dem Auftrag der Sozialen Arbeit – scheinbar – gerecht. Das könnte den Klienten zu passiven Objekt machen, als Hilfeempfängerin der Expertin aus der Sozialen Arbeit. Auch das könnte eine Du-bist-Nicht-OK-Beziehung sein. Weil du es nicht kannst oder dir die Chance (z.B. von der Gesellschaft) nicht gegeben wird, bist du "nicht-ok". Ich hol dich da raus...
Auch hier ist der Subjekt-Subjekt-Zugang zu präferieren: Du-bist-Ok. Die OK-Beziehung ist wechselseitig, reziprok.
Gunther Schmidt demonstriert, wie die Meta-Ebene als eine Gesprächsebene zieldienlich und funktional verwendet werden kann, um einem Gespräch mehr Tiefe, Transparenz und Tauglichkeit zukommen zu lassen.
Die Meta-Ebene ist eine hervorragende Sache. Und eben: eine Sache.
Es könnte ein objektorientierter Zugang werden, hier ist aber der subjektorientierte erwünscht.
Verbindet man die Meta- mit der Metta-Ebene, so kann die Haltung zum Ausdruck gebracht werden, wie diese in der Subjekt-Subjekt-Begegnung zu finden ist. Die Haltung speist die Handlung.
Hier ist es nun wichtig das Mitleid vom Mitgefühl zu unterscheiden. Dies hat mit einem inneren Vorgang bei der Expertin für Soziale Arbeit zu tun und in deren Gestaltung der Beziehung zum Klienten.
Mitleid bedeutet – hypnosystemisch gesprochen – die Problemtrance der Klientin zu betreten. Also das Leid eines andren Menschen in sich abzubilden und damit zu vermehren.
Das kann nicht das Ziel der hypnosozialen Systemik sein. Sie möchte kein Leid vermehren, tendenziell eigentlich das Gegenteil.
Das Mitgefühl erlaubt uns eine besondere Form der Begegnung mit unsren Mitmenschen und freilich auch mit Klientinnen. Es ist eine ideale Haltung und ergänzt einen „kopfigen“ Zugang. Es ist Teil der Methode, keine fragwürdige Ergänzung.
Mitgefühl, ein Begriff, der in vielen Traditionen eine zentrale Rolle spielt, wird mittlerweile auch naturwissenschaftlich erforscht. Unter anderem Jan Eßwein berichtet von der Forschung und der Anwendung dessen, sei es nun für die eigene Achtsamkeit, aber auch für andere. Auch Gunther Schmidt gibt der Haltung Platz in dessen methodenintegrativen Werk und spricht über Haltung.
Haltung, so weiß ich aus meiner Praxis, kann nicht gelehrt werden wie etwa Mathematik oder andere formale Systeme.
Haltung kann eingenommen und vorgelebt werden.
Die hier verwendeten Worte können nur den Weg weisen, sind aber nicht dieser. Jede geht den Weg für sich selbst, und das ist etwas Wunderbares.
Auch in Bezug auf das DU bietet die Met(t)a-Ebene viele Möglichkeiten, also diese besondere Form der Begegnung und des Wohlwollens. Auch die Lösungstrance. Und das gemeinsame Aufbrechen zu neuen Ufern.
Letztendlich ist dieser Zugung für das ES interessant. Aufträge und Ziele bieten nicht nur eine Sachebene. Sie wirken auch auf der Beziehungsebene, sind also sozial.
Aufträge und Ziele können von der Ratio her betrachtet werden, als eine Sachlogik. Sie haben aber auch, wie Paul Watzlawick meint, einen Beziehungsaspekt, eine intersubjektive soziale Logik. Sie können auch aus der kontextuellen (für mich subpersubjektiven) Perspektive betrachtet werden. Sie sind nicht einfach. Sie sind Teil eines Aushandlungsprozesses. Wie was ausgehandelt wird, das ist eine Frage der Haltung und des Zuganges.
Gerade diese ES-Ebene ist für die Soziale Arbeit interessant, die im Spannungsfeld des Doppelten Mandats agiert, also zwischen den Interessen von Fördergebenden (dem Staat oder – mittlerweile – ausgelagerten staatlichen Einrichtungen) und der Klientin. Die ES-Ebene, so weiß ich aus meiner Erfahrung als Supervisor, ist ein wichtiges Gestaltungselement, das oftmals über Erfolg oder Misserfolg im Outcome - also der Wirkung einer Dienstleistung - entscheidet.
Freilich trägt eine analytische Meta-Ebene dazu bei, Dynamiken, Spannungsfelder und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Es hilft kontextuelle Wirkungen aufzuzeigen, gegebenenfalls aufzudröseln. Für Klienten kann es hilfreich wirken, wenn sie sozialstaatliche Institutionen und Leistungen verstehen. Da die Ratio, wie uns die Neurobiologie lehrt, immer auch von einer Emotio begleitet wird, kann dasas sogenannte „Menschliche“ durch die Mettaebene berücksichtigt werden.
Klienten könnten mit dem Verstandenen unzufrieden sein. Es zu verstehen bedeutet noch lange nicht, damit umgehen zu können (im Sinne einer lösenden Wirkung). Es ist nicht-OK, könnten Klientinnen schlussfolgern. Und das eigene Problemerleben vergrößern. Hier wäre dann die Frage, wie sich das für Klienten auswirkt. Jede Schlussfoglerung bringt eine Wirkung mit sich. Immer ist ein Preis zu zahlen. Klientinnen müssen einen Umgang mit dem ES finden. Dabei können sie fachlich begleitet werden.
Es-ist-nicht-OK wäre ein Gestaltungsauftrag für hypnosystemisch orientierte Kolleginnen in der Sozialen Arbeit. Es-ist-OK bleibt die gewünschte Richtung. Ungünstige Rahmenbedingungen, Unklarheiten im Auftrag oder nicht-erreichbare Ziele sind durchaus methodisch anzugehen. Das kann mit einer entsprechenden Subjekt-Subjekt-Beziehung unterstützt werden. Auch scheinbar unauflösliche Elemente im ES, sozialstaatliche Regelungen, die sich im Außen befinden, können kompetenzorientiert und empowerend besprochen werden. Trotz ungünstiger Situationen, können Klienten im inneren Bereich gestärkt werden.
Ich schlussfolgere:
Die Met(t)a-Ebene ergänzt wunderbar die Teil-der-Welt-Haltung. Sie stehen zueinander in einer fraktalen Beziehung. Wenden wir diese an, so nehmen wir das „Herz“ in das Krähennest mit. Wenn alle drei Elemente, ICH, DU und ES OK sind, stimmt der Flow.
Der nächste Blogartikel wird weiter auf dieses Thema unter dem Aspekt der Lösungstrance eingehen und daher heißen: „Zuhören reicht nicht“.
Literaturhinweise
Eßwein, J. T. (2013): Das Achtsamkeitstraining. 7. Auflage. München (GU).