Begegnungen mit Spencer-Brown VIII (Wände)

Eigentlich gibt es über den weiteren Verlauf des Abends nicht viel zu bemerken. Alle bemühten sich um George, auch wenn die meisten der Anwesenden nicht wirklich wußten, warum sie das taten. Nach der Bloody-Mary-Einstimmung behandelte man ihn wie eine sehr zerbrechliche, antike chinesische Vase, obwohl alle ein wenig Zweifel hatten, ob sie wirklich so wertvoll ist, wie behauptet wurde...


George erzählte von Ronny Laing, mit dem er sehr erquicklich zusammen gearbeitet habe.


(Da Ronald Laing auch zu der Kategorie von Menschen gehört, deren Bücher für mich wichtig waren - z.B. "Das geteilte Selbst" -, deren persönliche Begegnung für mich aber enttäuschend war - das erzähle ich, wenn ich ein anderes Mal in Erinnerungen krame -, war ich gespannt und interessiert. Aber letztlich wurde nicht klar, welche Art von Zusammenarbeit zwischen beiden bestand. Mein Eindruck war - kann aber falsch sein - dass George Patient bei Ronny war, aber vielleicht war es auch umgekehrt, da George sich immer wieder als Therapeut bzw. seine Tätigkeit als Therapie bezeichnete...).


Die Feindschaft zwischen George und meiner ständigen Begleiterin, die ihre Wurzeln bereits bei dem Essen in seiner Wohnung in London hatte und durch meine Tankstellenfahrt bestätigt wurde, war endgültig besiegelt, als George erklärte, er könne die Wände hochgehen und dies sofort demonstieren wollte. Da die Wände unseres Domizils relativ frisch gestrichen waren, verbot sie ihm dies mit der Striktheit, in der Kindergärtnerinnen kleinen Kindern verbieten, auf die Autobahn zu laufen...


Ich hätte ihn natürlich die Wände hochlaufen lassen. Aber meine Durchsetzungsfähigkeit ist nicht sehr groß, wie an diesem Abend nun zum wiederholten Male bewiesen wurde.


Vielleicht hätte er es ja geschafft. Ich hatte gern den Maler noch mal kommen lassen...


Immerhin: Wir einigten uns über das weitere Vorgehen. Er würde von Januar 1994 bis Juni 1994 nach Heidelberg kommen. In der Zeit würde er zu Beginn ein "Forum" der IGST, d.h. einen zweitägigen Workshop, veranstalten und anschließend ein zweistündiges Seminar einmal in der Woche in unserem Institut in der Kussmaulstrasse. Ich würde ihm eine Wohnung suchen, die wir bezahlen, und wir würden ihm ein Stipendium von 5000,- DM pro Monat für die Zeit, die er in Heidelberg verbringt, d.h. Januar bis Juni, zahlen.