Lockdown 2.0 – oder: Die andere Seite der roten Linie

Inzwischen dürfte kaum mehr jemand daran zweifeln, dass ein erneuter Lockdown (in welcher spezifischen oder modifizierten Form auch immer) nötig ist, denn die Reduzierung von Kontakten ist das einzige Mittel, die Weitergabe von Viren von Mensch zu Mensch zu verhindern und die vierte Welle der Corona-Pandemie zu brechen. Aber, das ist nicht mein Thema hier, denn diese Maßnahmen können andere Leute viel besser begründen als ich.


Mir geht es um die offensichtlich verfehlte Politik der künftigen Bundesregierung bzw. um einige vorauseilend verkündete Prinzipien (speziell die der FDP). Denn der Lockdown und andere bundesweit wirksame Mittel des Infektionsschutzes sind ja auf Betreiben der Liberalen (und damit meine ich nicht nur die FDP, sondern auch all die Fernsehphilosophen, die fern jeder pragmatischen Erwägungen freiheitliche, das Individuum in den Mittelpunkt stellende Prinzipien verkünden) zum Gesetz gemacht worden. Getreu dem Leitspruch von Christian Lindner (2021) „Besser schlecht regieren, als nicht regieren!“ wurden „rote Linien“ verkündet.


Das beginnt bei der generellen Ablehnung eines Tempolimits und endet bei dem Versprechen, nie wieder einen Lockdown oder Ähnliches zuzulassen. Ich will hier gar nicht die Sinnhaftigkeit der einzelnen Maßnahmen, die nie (!) mit der FDP „zu machen“ sind, diskutieren, sondern lediglich den – und das muss man hier deutlich unterstreichen – Schwachsinn „rote Linien“ zu verkünden. Denn, wer das tut, nimmt sich Handlungsmöglichkeiten. Und das ist immer blöd, egal in welcher Rolle und Funktion man das tut (also auch zu Hause). Man gibt seine Autonomie auf, man überlässt anderen – und die sind manchmal nicht wohlmeinend – die Macht über die eigene Zuverlässigkeit zu urteilen, einen manchmal auch zu Handlungen zu zwingen, die man eigentlich nicht vollziehen will usw. Und man nimmt sich selbst die Chance, das zu tun, was sich in einer – ja nie – vorhersehbaren Zukunft als nötig erweisen könnte.


Wie sagte Heinz von Förster so schön: „Handle stets so, dass sich die Zahl deiner Möglichkeiten erweitert!“ Das ist beim Setzen „roter Linien“ sicher nicht der Fall. Politiker, die das tun, disqualifizieren sich, weil sie implizit sagen: „Ich bin gegebenenfalls nicht bereit das zu tun, was nötig ist!“


Das Setzen solcher „roten Linien“ ist in der Regel eines der Merkmale von Glaubensgemeinschaften und Sekten. Aber wahrscheinlich sind die Liberalen und Libertären (inklusive all dieser Fernsehphilosophen) ja nichts weiter als eine Art Sekte, die sich nicht durch Evidenzen von ihren Glaubenssätzen (wie z.B.: „Der Markt regelt alles!“) abbringen lassen.