Motivation und Eignung versus Geschlecht, Herkunft und Verpflichtung – Rolle und Funktion von Familienmitgliedern im Unternehmen

Der vierte Schritt der WIFU-Familienstrategieentwicklung


Eine der zentralen Fragen in Unternehmerfamilien ist, wer unter welchen Bedingungen, mit welchen Motiven und Kompetenzen im Familienunternehmen tätig werden will, soll oder muss. In der Vergangenheit war es in vielen Familienunternehmen eine feste Regel, dass der älteste Sohn das Unternehmen fortzuführen hat. Hier zählten also die familiäre Herkunft, das Geschlecht und die Geburtsreihenfolge. Dies reduzierte die Komplexität, schaffte Sicherheit, aber auch zahlreiche Probleme. Denn die individuellen Bedingungen des potentiellen Nachfolgers blieben sekundär. Motivation und Eignung für diese Aufgabe musste sich der „Auserwählte“ beschaffen, wenn diese nicht bereits „natürlich“ vorhanden waren. Die Verpflichtung, in die Fußstapfen der vorigen Generationen, insbesondere des Vaters, zu treten, war zentral und nicht wirklich verhandelbar.


Dass sich diese Selbstverständlichkeit der familiären Nachfolgeerwartung in Form der so genannten Primogenitur im gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte aufgelöst hat bzw. in Auflösung begriffen ist, können wir sicherlich als eine Befreiung bewerten. Wichtiger als die unhinterfragte Verpflichtung, dass der Erstgeborene die Nachfolge im Familienunternehmen anzutreten hat, sind Fragen nach Motivation und Eignung von Familienmitgliedern in der jungen Generation, im Unternehmen tätig zu werden.


Obwohl Unternehmereltern häufig signalisieren, dass ihre Kinder frei sind in der Entscheidung, das Familienunternehmen zu übernehmen (oder eben auch nicht), zeigt sich oft dennoch eine Doppelbotschaft: Untergründig spüren die Kinder, dass es ihren Eltern sehr gefallen würde, wenn sie in die Nachfolge eintreten und damit die Transgenerationalität des Unternehmertums fortsetzen. Allerdings ist zumindest bei Unternehmen ab einer gewissen Größenordnung an dieser Stelle oft eine erleichternde Differenzierung möglich, wenn die Nachfolge in der operativen Rolle als Geschäftsführung von der Nachfolge als Gesellschafter/in in der Eigentumsverantwortung unterschieden wird.


Im nächsten Schritt werden wir auf die Rolle von Familienmitgliedern eingehen, die sich in der Eigentümerrolle befinden. Bezüglich der operativen Rolle hat die Unternehmerfamilie jedoch zu klären, welche Voraussetzungen neben der Motivation, Eignung und der familiären Herkunft hier weiterhin relevant sind.


Eine äußerst wichtige Voraussetzung für operative Tätigkeiten von Familienmitgliedern auf der Ebene der Geschäftsführung ist freilich die Qualifikation, sind die fachlichen wie persönlichen Kompetenzen der operativ tätig werden wollenden Familienmitglieder. Bestenfalls legt die Unternehmerfamilie diesbezüglich Kriterien fest, die sich auf Ausbildungsabschlüsse, berufliche Erfahrungen und Erfolge, internationale und interkulturelle Fähigkeiten beziehen. Zudem ist die Klärung der Frage wichtig, wie und wer diese Voraussetzungen einzuschätzen hat – etwa ein Assessment-Gremium, das von familienexternen Personen geprägt wird und Kriterien anlegt, die den Familienbonus der einzuschätzenden Person außen vorlassen. Denn nichts ist für Nachfolgerinnen und Nachfolger demütigender als wenn im Familienunternehmen die Meinung vorherrscht, dass die Führungspersönlichkeit nur in diese Position gekommen ist, weil sie zur Unternehmerfamilie gehört.


Die Herkunft kann als notwenige Voraussetzung für die Positionsbesetzung in Familienunternehmen bewertet werden, aber nicht als hinreichende. Entscheidend ist, dass sich neben der Herkunft und der Motivation die persönliche Eignung und besondere Qualifikation der nachfolgenden Führungskräfte im Familienunternehmen zeigen und diese auch für alle relevanten Akteure sichtbar werden. Diese Aspekte personenunabhängig zu benennen, zu diskutieren und festzulegen, ist Kern dieses Schritts der Familienstrategieentwicklung.