sogar ebooks

Bücher sind lehrreich. Sogar ebooks.


«Ein Aktant, ich verwende hier die Definition von Bruno Latour, ist eine menschliche oder nicht-menschliche Handlungsquelle, die wirkmächtig ist, also über so viel Kohärenz verfügt, um Unterschiede zu bewirken.» schreibt Habiba Kreszmeier im Buch Natur-Dialoge im Kapitel «Zwischen den Dingen».(S 209)


Mich fasziniert dieses Kapitel und gleichzeitig lässt es mich auch zweifeln: Sollte mein Schreibtisch oder zum Beispiel ein Buch, tatsächlich auf sympoietische Weise Einfluss nehmen auf mich und ich auf sie? Kann wirklich ein sinnvoller Zusammenhang entstehen zwischen meinem aktuellen Lebensgeschehen und ihrem Dasein? Sprechen tatsächlich auch die Dinge mit? Ich nahm mir vor, das zu beobachten in nächster Zeit.


Für meine Kursvorbereitungen erinnerte ich mich an das Buch «Exploratives Lernen» von Verena Steiner. Ich hatte es in meinem Bücherregal erwartet, aber fand es dort nicht. Verborgt, liegenlassen, ausrangiert? Keine Ahnung, es war einfach nicht mehr da. Aber mein Wunsch damit zu arbeiten war gross und die Vorbereitungszeit leider wieder mal sehr knapp. So erwog ich, eine digitale Ausgabe zu kaufen. Ein wenig schlechtes Gewissen zog sogleich auf: Für mich sind Bücher doch immer noch diese handlichen Dinge aus Papier, die rascheln und knistern, wo ich Seiten umblättern und einknicken und mit Leuchtstift markieren kann. Etwas sinnvoll Sinnliches. Beziehungen zu Büchern und die Atmosphäre schöner Orte mit Büchern - das kenne ich. Der heimelige und frische «Bücherladen Appenzell» zum Beispiel ist solch ein Ort. Eigentlich möchte ich dazu beitragen, dass solche kleinen Läden mit solchen Papierbüchern erhalten bleibt.
Inzwischen aber haben sie im Online-Shop auch Ebooks im Angebot und «schwupps», keine drei Minuten später, lag das gewünschte Buch auf meinem Desktop. Besser gesagt eine Datei des Buches oder noch genauer: einen Link zu einer Datei. So einfach und schnell geht das! Wunder der Moderne, digitale Möglichkeitswelt, jetzt und sofort verfügbar!


Beschwingt legte ich los: Download-Button, kurz warten, dann öffnen. Fehlermeldung.
Ok, nochmal: Download, öffnen, Fehlermeldung?
Nochmal: Download, öffnen. Das Gleiche.
Computer aus, Computer an. Download, öffnen, Fehlermeldung!
Komisch. Am besten erst einmal Holz nachlegen im Ofen. Dann überlegen: Download, öffnen, mache ich was falsch?... Vielleicht ein anderes Programm? Ich versuche es der Reihe nach mit diversen Möglichkeiten. Jedes Mal die gleiche Fehlermeldung.
Mein Blick geht zur Uhr: Zum Verzweifeln! Blick in die Unterrichtsvorbereitung: neuer Versuch: Download, öffnen. Keine Chance!


Ich schreibe dem Bücherladen und bekomme erfreulicherweise prompt Antwort mit Tipps. Nach zweimal hin und her schreibt mir die Buchhändlerin, ich solle ihr die Datei mal schicken, dann probiert sie selbst. Wenig später die Meldung: «Bei uns läuft es». Das gibt es doch nicht!? Nochmal schön langsam: Download, öffnen. Verflixt! Wieder Fehlermeldung!
Es ist Abend geworden und ich habe nun weder Buch noch Zeit. Ich schreibe Sinha, meiner Freundin, die in solchen Fragen fast immer helfen kann. Die Buchhändlerin schreibt auch nochmal und löscht mit ihrem Humor mein Verzagen: Falls ich die Datei nicht öffnen kann, könnte ich allenfalls zu ihnen ins Geschäft kommen, um dort am Computer zu lesen. Ich muss schmunzeln und es beschleicht mich die Vorahnung einer liebevollen Lehrstunde.


«Darum empfiehlt es sich, sie nicht nur einfach zu benutzen, sondern sie ernst zu nehmen und wahrzunehmen, welchen Einfluss und welchen Beziehungsraum sie in unserem Leben einnehmen.» (S. 206)


Einen Tag später meldet sich Sinha und erbittet ihrerseits die Datei. Ich warte am Handy und gehe irgendwie davon aus, dass sich die Datei bei ihr öffnen lässt. Aber: Fehlermeldung! Kurz bin ich erleichtert; wenigstens bin ich nicht die Einzige. Sinhas Fehlermeldung allerdings besagt, dass die Datei an einem anderen Computer bereits einmal geöffnet wurde und sie daher nur noch an diesem Gerät geöffnet werden kann. «Hattest Du sie schon mal offen?», fragt sie mich etwas zweifelnd. «Nein, nicht ich, die Frau vom Bücherladen!» und in dem Moment wird mir klar, dass ich mein neues Buch nun tatsächlich nur dort vor Ort lesen kann. So schreibe ich und kündige mein Kommen scherzhaft an. Die Antwort lautet: «Blöderweise ist es unser Hauptrechner, so müsstest du in der Nacht kommen. Wir würden dir aber eine bequeme Lesesituation einrichten, inklusive Bettflasche.» 


Gesagt getan.



Nachtrag: Parallel hatte ich einer früheren Arbeitsstelle geschrieben, weil ich dort in einem Schrank allenfalls noch gedruckte Restausgaben des Buches vermutete. Am Morgen nach meinem Besuch in der Bücherstube erhielt ich ein Mail: «Wir haben noch zwei Ausgaben gefunden. In einer davon steht vorn Dein Name drin.»


 


Martin Luger
Konstanze Thomas

Dozentin, Sozialpädagogin, Bildungsmanagerin, tätig in analog, Mitwirkende in nature&healing, Ko-Initiantin der Natur-Dialog Bewegung. Gelegentlich Schreibende, Hobby-Schneiderin, Ritualtänzerin und immer wieder neugierige Reisende.




Astrid Habiba Kreszmeier
Astrid Habiba Kreszmeier

ist gerne Gastgeberin, auch hier in der Rubrik Wildes Weben. Sonst Begleiterin und Lehrtherapeutin in Systemischer Naturtherapie, Tiefenmythologie und Aufstellungsarbeit. Autorin, Gärtnerin und Aktivistin für Sympoietisches.
Wirkt und schreibt in nature&healing und seinem Journal für Erd- und Menschenverstand.