Meuthen, Gauland und die Massenmörder

„Es gibt eine unfehlbare, zu 100% erfolgreiche Methode die Aufmerksamkeit auch des letzten Kommunikations- oder Kontaktverweigerers zu erhalten: Fügen Sie ihm Schmerz zu, einen Schaden, nutzen Sie ihre Möglichkeit zur Aggression. Das heißt nicht unbedingt, dass Sie Gewalt anwenden müssen, obwohl dies letztlich die ultimative Form ist Aufmerksamkeit zu erhalten. (...)


Wenn Sie die körperliche und seelische Gesundheit oder gar die Existenz eines Menschen – physisch oder ökonomisch – bedrohen, dann muss er in die Kommunikation einsteigen und kann Sie nicht ignorieren.


Dies ist eine Kommunikationsstrategie, die seit Jahrhundert sehr erfolgreich von Terroristen aller Art praktiziert wird. Nun wollen Sie ja wahrscheinlich nicht zum Terroristen gestempelt werden. Das sollte Sie aber nicht von der strategischen Nutzung ihres aggressiven Potenzials abhalten. Sie sind schließlich in einem Kampf um Geltung und Wirkmächtigkeit. Da Sie den Rahmen zivilisierten Verhaltens nicht dauerhaft verlassen dürfen, wenn Sie eine breite Gefolgschaft auch in bürgerlichen Kreisen finden wollen, dürfen Sie sich nicht selbst an Gewalttätigkeiten beteiligen. Es reicht in der Regel, wenn Sie eine aggressive Sprache wählen und öffentlich Aussagen tätigen, die als aggressiv erlebt werden. Sie können und dürfen sich auch ungeniert zu Gewaltphantasien bekennen oder hypothetisch kriegerische Szenarien durchspielen, solange Sie die nicht in die Tat umsetzen, sind Sie auf der sicheren Seite: Man kann Ihnen nicht strafrechtlich an die Karre fahren, da Sie nichts Verbotenes getan haben, aber gleichzeitig ernten Sie unerhörte Aufmerksamkeit der Presse und Ihrer Gegner. Die können Sie dann beide wiederum nach Herzenslust angreifen und beschimpfen oder abwerten.


 (...)


Wenn es im zeitlichen Zusammenhang mit einer Ihrer Reden oder eines Interviews zu Gewalttaten kommt (wenn, zum Beispiel, Flüchtlingsheime abgefackelt, dunkelhäutige Menschen durch die Straßen gejagt, afghanische Restaurants die Scheiben eingeworfen werden usw.) so rudern Sie auf keinen Fall zurück, sondern behaupten Sie ungeniert, dass Sie missverstanden worden wären. Denn es stimmt ja, dass immer der Empfänger die Hoheit über die Deutung Ihrer Worte hat. Sie wissen ja genau, dass Sie das nie und nimmer so gemeint haben, wie diese eigentlich ja guten Patrioten es falsch verstanden haben.


Es ist eine Gradwanderung, die sie eine gewisse Zeit überstehen müssen. Denn es wäre fatal, wenn Sie offiziell vom Verfassungsschutz beobachtet würden. Das Risiko ist, dass Sie vom Platz gestellt werden und nicht mehr mitspielen dürfen. Dann würden Sie wahrscheinlich die Unterstützung der bürgerlichen Kräfte verlieren, die bislang mit gemischten Gefühlen auf Sie schaut: fasziniert und mit leichtem Grusel.


(...)“


Aus: Anleitung zum Populismus oder: Ergreifen Sie die Macht, S. 26 – 28.


Anzumerken ist noch aus der Perspektive des Psychiaters: Massenmord gehört nicht zu den Symptomen, die in den internationalen Diagnose-Manualen als Kennzeichen von psychischen Krankheiten aufgeführt werden. Aber natürlich hat jemand, der zehn andere Menschen, die er nicht kennt, blindwütig ermordet, „ein Rad ab“. Der Täter von Hanau war sicher „verwirrt“. Aber auch Herr Meuthen und Herr Gauland sind „verwirrt“, wenn sie behaupten, es gäbe keinen politischen Hintergrund für diese und ähnliche Taten. Sie tragen daran eine gravierende Mitverantwortung. Es ist eines der Ergebnisse ihres Aufrufs zur „Jagd“.