autobahnuniversität / Klaus Grawe - Wie Psychotherapie einmal sein könnte

Derzeit finden wieder die Lindauer Psychotherapiewochen statt. Anlass genug, zu schauen, was aus Entwicklungen, die einmal angedacht waren, geworden ist. Dieser Vortrag von Klaus Grawe, den die Autobahnuniversität bei den Lindauer Psychotherapiewochen 1995 dokumentierte, hat nichts von seiner Aktualität verloren. Im Gegenteil …


Klaus Grawe (1943- 2005) gehörte zu den Psychotherapeuten, die über die detaillierte und empirisch ausführlichst fundierte Erforschung psychotherapeutischer Prozesse und deren Wirkfaktoren dazu beizutragen versuchte, den therapeutischen Schulenstreit zu überwinden, der aus seiner Sicht eher auf dem Rücken als im Interesse von Patient:innen ausgetragen werde. Prozess- und Ergebnisqualität therapeutischer Arbeit haben sich nach Grawe vollkommen an Patient:innen zu orientieren. Noch heute wird immer wieder auf Klaus Grawe und seine Forschungen Bezug genommen, und es ist wohl zu erwarten, dass das auch weiter so geschehen wird.


Die systematische Nutzung aller therapeutischen Möglichkeiten und Methoden, die es bereits gibt (Verhaltenstherapie, Familientherapie und weitere systemisch orientierte Ansätze, Psychoanalyse, u. v. a.) ermögliche es, Grenzen von Psychotherapieschulen und psychotherapeutischen Settings zu überwinden. Es sei dringend anzuraten, sämtliche Ressourcen und Stärken, die die einzelnen Verfahren anzubieten haben, im Sinne synergetischer Effekte zu kombinieren, integrativ wie sequenziell. Es gehe, so Grawe, darum, all diese Möglichkeiten miteinander in Wechselwirkung zu bringen. Entwicklunsgmöglichkeiten für effektive und einzig an Patient:innen orientierte psychotherapeutische Behandlungsformen entstehen durch Nutzung der vorhandenen Vielfalt.


Der Weg, den Klaus Grawe in diesem Vortrag vorzuzeichnen versucht und für den er ein leidenschaftliches, im Ton allerdings klares und unmissionarisches Plädoyer hält, wurde hier und da begonnen zu bauen und wird beschritten, ist aber wohl noch lange nicht der, den die meisten begehen (oder begehen wollen). Ja, man darf im Sinne Klaus Grawes vielleicht sogar sagen: Es bedarf vieler immer wieder neuer Einladungen, sich auf den Weg zu machen, um dort voneinander zu lernen und die Patient:innen (oder Klient:innen) konsequent als die kompetenten Reiseführer:innen dabei zu haben …


Klaus Grawe promovierte 1976 an der Universität Hamburg mit der Doktorarbeit Indikation und spezifische Wirkung von Verhaltenstherapie und Gesprächspsychotherapie. 1979 folgte er, mittlerweile habilitiert, einem Ruf an die Universität Bern auf den Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie. Zeitweise stand er der Society for Psychotherapy Research vor. Bei allen Forschungs- und Lehraufgaben blieb er stets auch psychotherapeutischer Praktiker und damit der unmittelbaren täglichen Erfahrung psychotherapeutischen Tuns und seiner (Miss-)Erfolge verbunden.


Beim Mund-Nasen-Schutz bleiben die Ohren frei! Also: Ob im Auto oder mit der Maske in der großen weiten Welt: Kopfhörer auf und Autobahnuniversität hören! Jeder Stau bringt Sie weiter. Und, wo es geht, die freien Augen und den freien Geist nutzen: Carl-Auer Bücher lesen!