Was wirklich hilft

Was wirklich hilft – das ist eine sehr spannende Frage. Hilfreich zu sein, das ist die Grundlage von Counselling, Coaching und der Hypnosozialen Systemik. Von daher scheint es im ureigenen Interesse zu sein, danach zu fragen.
Ich möchte dies auch mit diesem Blogartikel tun und den Aspekt verschiedenen Facetten diskutieren.
Zu Beginn erlaube ich mir eine besondere Facette einzubringen, eine vielleicht paradoxe, die scheinbar meine Eingangsfrage konterkariert.


Bevor ich mich frage, was wirklich hilft, möchte ich eine andre Frage stellen: Warum fragen wir danach? Ist es nicht ausreichend, dass es hilft? Das wäre doch schon genügend, oder nicht?
Andersrum, vielleicht etwas provokant formuliert: Machen Sie etwa Dinge, von denen Sie nicht wissen, dass diese hilfreich sind? Oder sind sie nicht auch überzeugt, dass ihre Werkzeuge hilfreich sind?
Ich könnte daher schlussfolgern: Was soll diese Fragerei?
Für manche mag das paradox oder sogar ketzerisch klingen. Dennoch ist dies eine erste überaus interessante Überlegung für den heutigen Beitrag.


Ein Beispiel aus meiner Erfahrung. Klienten sind in der Regel total damit zufrieden, dass es hilft. Es ist in der Mehrzahl der Fälle nicht notwendig zu erheben, was genau hilfreich war. Hauptsache, es hilft! Glückliche Gesichter, eine gelöste Spannung und dann beim nächsten Termin die Erzählung darüber, was geklappt hat. Das reicht, oder nicht?
Wenn es doch erhoben wird, so kann dies eine hilfreiche Intervention auf der Meta-Ebene sein. Ok. Geschenkt. Aber in der Regel muss das nicht sein.
Wir könnten also diese Diskussion sofort abbrechen mit der Feststellung: eigentlich reiche es aus, dass es helfe. Alles andre ist für Klienten – in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle – wenig relevant.
Dies ist eine mögliche Perspektive, eine mögliche Antwort.
Dennoch beschäftigt mich natürlich die Frage: was wirklich hilft. Und auch wenn meine Klientinnen scheinbar sich nicht danach erkundigen, so möchte ich es tun.


Ich möchte zunächst unterscheiden, in welcher Absicht wir danach fragen: Möchten wir für eine konkrete Fallsituation hilfreiche Faktoren identifizieren – also kasuistisch denken – oder möchten wir allgemein gültig – also methodisch – uns Wissen aneignen, etwa z.B. darüber, warum das hypnosystemische Coaching hilfreich sei oder warum das Case Management hilfreich sei.
Konkrete kasuistische Fragestellungen werden anders geführt als allgemeingültige, z.B. sozialarbeitstheoretische. Beide haben ihre Berichtigung. Es ist zu Beginn nützlich zu wissen, WOFÜR frage – also was ist der sinnstiftende Gedanke meiner Untersuchung und Analyse.


Lassen Sie mich diesen Aspekt noch vertiefen.
Stellen sie sich vor, dass sie weder im Interesse der Klientinnen noch in ihrem ureigenen Interesse diese Frage stellen. Es könnte in der Sozialen Arbeit sehr wohl sein, dass wir dabei nicht primär im Auftrag der Klientinnen fragen … ich denke hier an den Themenbereich der Evaluation und Erfolgsmessung, ein wichtiger Aspekt in der Sozialen Arbeit. Es könnte sein, dass diese Erfolgsmessung – scheinbar – im Interesse der Klientinnen durchgeführt wird – tatsächlich liegen aber Interessen der fördergebenden Stellen dahinter.


Lassen Sie uns unterscheiden, ob wir im Eigeninteresse oder im Fremdinteresse analysieren – und in wessen Fremdinteresse. Wem nützt also die Fragestellung?


Das Eigeninteresse umfasst unser Interesse an den Wirksamkeit der eigenen Methodik. Ich als Professionist möchte wissen, ob es hilfreich ist. Dazu bediene ich mich der Forschung. Es unterstreicht meine Expertise, meine Seriosität und meine methodische Kompetenz.
Wirksame Methoden festzustellen kann indirekt von Interesse für die Klienten sein. Klientinnen profitieren von Methoden, deren Wirksamkeit fundiert ist. Keine Frage.


Das Fremdinteresse wird in der Sozialen Arbeit von fördergebenden Stellen artikuliert. Jene möchten überprüfen, ob das eingesetzte Geld entsprechend verwendet ist, der Aufwand auch einen Nutzen bringt und ob die Hilfeleistung wirksam ist.
Soziale Arbeit sieht sich einer Ökonomisierung ausgesetzt: immer stärker wird die Frage, ob die eingesetzten Mittel gerechtfertigt seien. Immer breiter und tiefgehender wird die begleitende Dokumentation, die in Einrichtungen zu leisten ist. Qualitätsmanagement, Prozessmanagement und Wirkungsmessung soll dafür sorgen, dass Soziale Arbeit in der Praxis vor allem effizient und auch effektiv vonstattengeht.
Dabei ist es nach wie vor eine theoretisch als auch praktische Frage, inwieweit ökonomische Dimensionen mit sozialarbeiterischen verbindbar sind.
Diese Perspektive möchte also nicht methodische Wirksamkeit, sondern finanzielle erheben.


Eine mögliche Variante ist, dass auch die Klientinnen wissen möchten, ob die angebotene Dienstleistung hilfreich sei. Ein Bewusstsein dafür würde in die heutige Zeit passen. Möglich wäre es auch, dass Interessensvertretungen von Klienten darüber Bescheid wissen möchte.


Wir merken: „Was wirklich hilft“ ist also eine Frage des stiftenden Interesses. Für wen wird gefragt. Das ist der erste Punkt, den es zu klären gilt. Danach können wir überlegen, was das Hilfreiche sei.


Was wirklich hilfreich sei, diese Antwort auf die Frage wird in der Literatur zur Sozialen Arbeit, zu Coaching und Psychotherapie unterschiedlich beantwortet. Dies ist Kern eines differenzierten Diskurses. Welche Ergebnisse bringt dieser uns?


Jedenfalls, so meines Erachtens, finden sich überall Hinweise darauf, dass die helfende Beziehung wirke, sei es nun bei Maja Heiner, Kurt Ludewig oder andren. Eine serviceorientierte, positive, konstruktive, empathische helfende Beziehung zeigt positive Wirkungen.


Spannender wird schon die Frage, welche Methode hilfreich sei. Kann die eine Methode besser wirken als die andre? Das ist doch die Mutter aller Fragen … oder nicht? Darauf findet sich keine eindeutige Antwort. Zudem fehlt die vergleichende Forschung. Letztendlich kann die Frage also nicht beantwortet werden. Zugegeben, das fände ich ein unbefriedigendes Ende für diesen Blogartikel.


Interessant wird jedoch noch ein weiterer Aspekt: Ist der Mensch, die Interaktion oder die verwendete Methode hilfreich? Also wirken die lösungsorientierten Fragen – oder die Person, die diese Fragen stellt?
Und hier können wir feststellen, dass es wiederum unterschiedliche Antworten geben mag. Vermutlich wird niemand die Person aus der Gleichung nehmen möchten. Zugegeben, manchmal habe ich den Eindruck, dass eine Intervention wirkt, obwohl ich – oder eine Person – es getan habe/n.
Nicht immer fabriziere ich Sternstunden der hohen Interventionskunst. Auch in Supervisionen und Seminaren habe ich dieses „obwohl“ bereits erlebt: Klientinnen können Lösungen trotz der Sozialarbeiterinnen erlangen. Das mag für manche ketzerisch wirken. Es könnte aber auf Begebenheiten beruhen.
Dasselbe mögen wir für die Methode durchdenken: Niemand würde Methoden aus der Gleichung nehmen. Dennoch kann es sein, dass Klientinnen zur Lösung gekommen sind, obwohl diese Methode verwendet wurde.
Wir können auch antworten: beides wirkt, die Person als auch die verwendete Methode. Wunderbar. Wir haben etwas Hilfreiches entdeckt!
Was haben wir aber noch nicht berücksichtigt? Die Klientin. Deren Konstitution. Deren Situation. Die Interaktion – die Dynamik. Es gibt viele Faktoren, die auf eine Gesprächseinheit einwirken. All diese Faktoren können hilfreich sein – oder eben auch nicht.


Für unsre Reflexion ist es interessant zu wissen, ob wir einen personenzentrierten und kompetenzorientierten Ansatz wählen: Also welche Haltung kann ich einnehmen und welche Kompetenzen brauche ich, um hilfreich zu wirken. Das wäre nach dem triadischen Raum die Frage nach dem ICH.
Oder wählen wir den methodenzentrierten Ansatz: welche Methode brauche ich, um hilfreich zu wirken? Welche Rahmenbedingungen? Das wäre im triadischen Raum die Frage nach dem ES.
Oder wir fragen, was braucht es für Klienten, damit diese Hilfe gut annehmen und umsetzen können. Das wäre die Frage nach dem DU.
Möglicherweise untersuchen wir auch den Kontext nach förderlichen oder hinderlichen Faktoren, also den organisationalen Rahmen, die Lebenswelt, sektorale Eigenheiten des Systems, in dem wir tätig sind, oder auch anderes…
Schnell wird bemerkbar, dass viele unterschiedliche Ebenen in die Betrachtung einfließen können, je nachdem, wonach gefragt wird. Wir müssen uns entscheiden, worauf wir unsre Aufmerksamkeit in der Untersuchung legen.
Dementsprechend werden die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen.


Was wirklich hilft.
Als zentrale Hypothese möchte ich für die Hypnosoziale Systemik eine Einladung formulieren: Werden Sie eine Expertin für Unterstützungssituationen. Lernen Sie das Innen von Menschen (psychische und mentale Welten) mit dem Außen (soziomateriellen Welten) zu verbinden.
Ich gehe davon aus, dass in der funktional differenzierten Gesellschaft, Klientinnen im Außen Unterstützung benötigen. Damit können Gelder, Arbeitsstellen oder andre Formen der gesellschaftlichen Teilhabe gemeint sein. Die Lebensweltorientierung, die Sozialraumorientierung und das Empowerment zielen darauf ab. Die Inklusionsberatung zielt darauf ab: Menschen sind in soziale Sicherungssysteme und in die Funktionssysteme eingebunden. Menschen gestalten ihre Umfeld, ihre Lebenswelt mit. Fachkräfte der Sozialen Arbeit benötigen Werkzeuge und Kompetenzen in Empowerment und Inklusion.


Ich gehe davon aus, dass in Klientinnen auch im Innen Hilfe benötigen. Gib dem Menschen nicht nur Fische, bringe ihnen das Fischen bei, so etwa soll es Laotse gesagt haben. Dies firmiert in der Sozialen Arbeit unter der bekannten Leitidee der „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Klientinnen werden in diesem Ansatz dabei unterstützt, eigene Stärken und Kompetenzen zu entdecken und auszuleben. Inklusion ist nicht etwas, das für sie getan wird – etwa durch die Soziale Arbeit.
Es geht um Aktivierung und Beteiligung. Klientinnen tragen durch eigene Stärken etwas dazu bei, dass Inklusion geschehen kann. Dazu ist ihr Wille vonnöten – und wir tun gut daran, nach dem Willen der Menschen zu fragen, wie Wolfgang Hinte es beschreibt. Menschen werden nicht als bedürftig wahrgenommen, sondern als willentlich engagierte und motivierte Individuen, die einen Beitrag zur persönlichen und sozialräumlichen Gestaltung leisten können.
Dazu sind die Stärken notwendig, die etwa in Form der Stärkenorientierung auch in der Sozialen Arbeit – u.a. durch Corinna Ehlers – Einzug erhalten haben. Gunther Schmidt nennt dies den kompetenzaktivierenden Zugang, eine zentrale Leitidee, die auch für die Hypnosoziale Systemik von großer Relevant ist.
Fachkräfte benötigen entsprechende Werkzeuge und Kompetenzen, um die Potentiale der Klientinnen zu entfalten, Kompetenzen zu aktivieren und lösungsorientiert Gespräche zu führen. Dazu sind auch entsprechende Settings und Rahmenbedingungen erforderlich, um all dies umsetzen zu können. Persönliche Kompetenzen können sich dann am besten entfalten, wenn der organisatorische Rahmen darauf abgestimmt ist.


Zusammenfassend möchte ich sagen:
ICH bin OK, DU bist OK, ES ist OK – das kann die grundlegende Haltung sein, so dass es funktioniert. Es braucht diese dreifache – triadische bzw. triangulierte – Perspektive, so dass es hilfreich wirken könne.
Was wirklich hilft, ist ein Erlangen über Bewusstsein und Wissen darüber:


Welche Kompetenzen und Stärken bringe ich als Person ein?
Welche Rahmenbedingungen und Settings braucht es?
Was ist der Wille und die Motivation der Klientin?
Welche Werkzeuge können hier hilfreich sein?
Wie kann in dieser Situation – in dieser Konstellation – dies alles erfolgreich zusammengebracht werden?


Wenn ich diese Fragen beantworte, werde ich zum Experten für Unterstützungssituationen. Und damit komme ich dem Hilfreichen entscheidende Schritte näher.


Der nächste Blogartikel vertieft das Thema unter dem Titel: „Die Blues-Haltung“. Durch die „Blues-Haltung“ können wir unsre Expertise ausbauen.


 


Literaturhinweise


Cohn, R. (1997): Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. Stuttgart (Klett Cotta). 13., erweiterte Auflage.


De Jong P. u. I. K. Berg (2014): Lösungen (er-)finden. Das Werkstattbuch der lösungsorientierten Kurztherapie. Dortmund (Verlag Modernes Lernen). . 7., erweiterte und verbesserte Auflage.


De Shazer, S. (2014): Wege der erfolgreichen Kurztherapie. Stuttgart (Klett Cotta). 12. Auflage.


Ehlers, C. (2011): Care und Case Management in der Pflege für die Aus-, Fort- und Weiterbildung. Berlin (Cornelsen).


Ehlers, C. (2019): Stärken neu denken. Die Kunst der stärkenfokussierten Zielarbeit in sozialen Handlungsfeldern. Opladen (Verlag Barbara Budrich).


Ehlers, C. u. M. Müller (2010): Aufsuchende Familienarbeit und Case Management. Case Management Sonderheft Soziale Arbeit 7. Jahrgang. S. 38 – 41.


Fürst, R. u. W. Hinte (2014) (Hrsg.): Sozialraumorientierung. Ein Studienbuch zu fachlichen, institutionellen und finanziellen Aspekten. Wien (UTB).


Harris, T. A. (1976): Ich bin o.k. - Du bist o.k.: Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können - Eine Einführung in die Transaktionsanalyse. Reinbek bei Hamburg (Ro Ro Ro). 51. Auflage.


Heiner, M. (2004): Professionalität in der Sozialen Arbeit: Theoretische Konzepte, Modelle und empirische Perspektiven. Stuttgart (Kohlhammer).


Hinte, W. u. G. Litges u. W. Springer (1999): Soziale Dienste: Vom Fall zum Feld: Soziale Räume statt Verwaltungsbezirke. Berlin (Edition Sigma).


Ludewig, K. (2009): Einführung in die theoretischen Grundlagen der systemischen Therapie. Heidelberg (Carl Auer). 2., aktualisierte Auflage.


Lüssi, P. (2008): Systemische Sozialarbeit: Praktisches Lehrbuch der Sozialberatung. Bern (Haupt). 6. Auflage.


Obermeyer, K. u. H. Prühl (2015): Teamcoaching und Teamsupervision. Praxis der Teamentwicklung in Organisationen. Göttingen (Vandenhoeck und Ruprecht).


Roth, G. u. A. Ryba (2016): Coaching, Beratung und Gehirn. Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte. Stuttgart (Klett Cotta).


Schmidt G. (2008): Die Integration von hypnotherapeutischen Ansätzen in systemische Konzepte[DVD]. Müllheim/Baden (Auditorium).


Zeig, J. K. (2016): Einzelunterricht bei Erickson. Hypnotherapeutische Lektionen bei Milton H. Erickson. Heidelberg (Carl Auer). 5. Auflage.