Case Management

aus dem amerik. Engl. in den dt. Sprachgebrauch übergegangen, dt. Fall-Management, vom engl. to manage, ableitbar über ital. maneggiare »an der Hand führen« auf lat. manus »Hand«; kann als ein Verfahren mit einem Pool an Methoden und Techniken, basierend auf einer professionellen Haltung der Fachkräfte, beschrieben werden. Bevor das Verfahren skizziert sowie der Methodenpool und die Haltung insbesondere aus systemischer (System) Perspektive erläutert werden, wird zunächst der Ursprung des Konzeptes benannt.


Case Management, verstanden als eine Verbindung von klassischer sozialer Einzelfallhilfe (Helfen) und Ansätzen aus der Gemeinwesen- und Netzwerkarbeit, wurde in den USA der 1970er-Jahre entwickelt (vgl. Wendt 2008). Anlass war der Trend zur De-Institutionalisierung (insbesondere den Abbau stationärer Einrichtungen betreffend) psychosozialer und medizinischer Hilfen. So wurde Case Management aus der Notwendigkeit heraus geboren, für die entlassenen Klienten und Patienten eine angemessene ambulante Versorgung zu organisieren. Die zentrale Funktion von Case Management ist es, eine optimale Organisation von Hilfen zu gestalten angesichts einer unübersichtlichen und vielfältigen Hilfelandschaft mit hoch spezialisierten Trägern, die eher zur angebots- statt zur nachfrageorientierten Arbeit tendieren. In Deutschland hält Case Management seit Beginn der 1990er-Jahre in der Sozialen Arbeit und dem Gesundheitswesen Einzug. Ein Grund hierfür ist – wie damals in den USA – das Bestreben, die ambulante Versorgung zu optimieren und stationäre Unterbringungen zu vermeiden. Es spielen jedoch nicht nur Reformbestrebungen eine Rolle, sondern auch Kostenerwägungen. So verspricht Case Management hohe Effizienz (Wirtschaftlichkeit: Verhältnis von Aufwand und Nutzen) und Effektivität (Wirksamkeit: Verhältnis von Zielen und Ergebnissen) der Versor-gung, und zwar durch eine Verkopplung der einzelfallbezogenen Arbeit (Fallarbeit) mit einem hilfesystemorientierten Ansatz der Verknüpfung und Koordination verschiedener fallbezogener und fallübergreifender professioneller wie nichtprofessioneller Hilfen zu einem Hilfenetz (Systemarbeit; Netzwerk).


Case Management wird in Phasen realisiert: Falleingang (Intake), Falleinschätzung (Assessment), Hilfeplanung (Service Planning), Durchführung (Intervention und Linking), Überwachung (Monitoring), Evaluation. Alle Phasenschritte beziehen sich zugleich auf die Fall- und die Hilfesystemebene (vgl. Faß 2009) und verstehen sich, zumal auf der Basis systemischer Prinzipien, als radikal lösungs- (Lösung) und ressourcenorientiert (Ressource; vgl. Neuffer 2002; Kleve et al. 2008):


• In der Falleingangsphase geht es vor allem darum zu bestimmen, ob es sich um einen Fall für das Case Management handelt. Denn als Case Management-Fall gilt nur ein solcher, bei dem zwei Kriterien, die mit dem Begriff der Komplexität umschrieben werden, erfüllt sind, nämlich erstens eine multiple Problemlage mit unterschiedlichen, sich gegenseitig bedingenden Schwierigkeiten von Menschen und zweitens eine Mehrzahl von an den Problemen dieser Menschen arbeitenden Institutionen.


• Sollte ein Case Management-Fall gegeben sein, beginnt die Falleinschätzungsphase, in welcher die Probleme und die Personen, die von ihnen betroffen sind, kontextualisiert (Kontext) werden. Es wird der Fall in seinen relevanten lebensweltlichen (Lebenswelt) und institutionellen Zusammenhängen gesehen. Des Weiteren erfolgt eine Aufnahme der unterschiedlichen Problemsichten, die alle beteiligten Akteure mit einbezieht. Damit einhergehend werden persönliche, soziale und sozioökonomische wie materielle Ressourcen erkundet, die beim weiteren Case Management-Prozess eingebunden werden können. Ein Schritt der Hypothesenbildung (Hypothetisieren) kann sich anschließen, bei dem man über mögliche Gründe für die Problementstehung und -lösung nachdenkt, um die Phase der Planung von Zielen und Handlungsschritten vorzubereiten.


• In der Phase der Hilfeplanung werden vor allem die Ziele (was soll erreicht werden?) und die Handlungsschritte (wie soll vorgegangen werden?) unter Einbezug aller Beteiligten (Partizipation) erarbeitet.


• In der Phase der Durchführung werden vom Case-Manager kontinuierlich koordinierende und verbindende Aufgaben übernommen. Die professionellen wie informellen Beziehungen und Kontakte eines Falls laufen in einer Hand zusammen und werden möglichst passgenau und in steter Abstimmung mit den Klienten vernetzt.


• Überwachung, als nächste Phase, heißt, während des gesamten Hilfeverlaufs zu beobachten, wie die Beteiligten ihre Aufgaben erfüllen und ob die Ziele und Handlungsschritte so wie vereinbart realisiert werden können oder ob Veränderungen, neue Absprachen und modifizierte Vereinbarungen notwendig erscheinen.


• Schließlich wird das Verfahren durch die Evaluationsphase abgeschlossen, in welcher überprüft und bewertet wird, ob im Hilfeprozess die fixierten Ziele erreicht werden konnten (Effektivität) und ob dies im Sinne eines effizienten Arbeitens möglich war.


Ein systemisch ausgerichtetes Case Management gründet auf system- theoretischen Annahmen neueren Ursprungs und auf den vielfältigen Methoden und Techniken der systemischen Beratungs- und Therapiepraxis. So können biologische, psychische (Psyche) und Sozialsysteme als autopoietische Einheiten (Autopoiesis) verstanden werden, die in nichttrivialer Weise operieren, also nicht im Sinne einer deterministischen Steuerung beeinflussbar sind, jedoch zur Selbstveränderung angeregt werden können (vgl. Willke 1994). Vor diesem Hintergrund sind für das Case Management alle Methoden und Techniken passend, die die Autopoiesis respektieren und gleichzeitig intendieren, Systeme konstruktiv dazu anzuregen, sich im Kontext anderer Systeme und in struktureller Kopplung mit ihnen zu konsolidieren/zu verändern. So haben sich für die Phase der Falleinschätzung insbesondere Methoden und Techniken bewährt, mit denen die soziale Kontextbezogenheit von Fällen herausgestellt werden kann, etwa das Genogramm, das Soziogramm oder die Netzwerkkarte. Außerdem ist freilich das gesamte Repertoire der systemischen Beratung mit den zahlreichen Frageformen (Zirkuläres FragenSkalieren, hypothetisches Fragen etc.) brauchbar. Auch das Reframing (Umdeutung) oder das Fragen nach Ausnahmen werden als Techniken dafür genutzt, Ressourcen in den Blick zu bringen. Die Phase der Hilfeplanung lässt sich gut strukturieren mit der lösungsorientierten Gesprächsführung, so können etwa mit der Wunderfrage Zielvisionen erarbeitet werden. Zudem sind oft Methoden der Konfliktvermittlung (Mediation) erforderlich. Je mehr Beteiligte in einen Hilfeprozess involviert sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Konflikte entstehen.


Schließlich geht das Case Management mit einer Haltung einher, die auf dem gründet, was bereits angeklungen ist: auf Ressourcen-, Lösungs- und Selbsthilfeorientierung, aber auch auf einer Steuerungsgelassenheit. Diesbezüglich können Case Manager auf eine ironische Einstellung verwiesen werden (vgl. Willke 1992), die mit dem Wissen einhergeht, dass autopoietische Systeme mit ihren eigenen Logiken sich niemals gänzlich verstehen (Verstehen) lassen und nicht vollends zusammengeführt werden können. Dass jedoch ein solches systemisches Verstehen und Zusammenführen immer wieder versucht werden muss, damit die Fallarbeit und die diesbezüglich agierenden Systeme wach und zielgerichtet begleitet werden können, ist die (Sisyphus-)Aufgabe des Case Management.


Verwendete Literatur


Faß, Rainald (2009): Helfen mit System. Systemsteuerung im Case Management. Marburg (Tectum).


Kleve, Heiko et al. (2008): Systemisches Case Management. Falleinschätzung und Hilfeplanung in der Sozialen Arbeit. Heidelberg (Carl-Auer), 3., überarb. Aufl. 2011.


Neuffer, Manfred (2002): Case Management. Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien. Weinheim/München (Juventa).


Wendt, Wolf Rainer (2008): Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen. Eine Einführung. Freiburg (Lambertus).


Willke, Helmut (1992): Ironie des Staates. Grundlinien einer Staatstheorie polyzentrischer Gesellschaft. Frankfurt a. M. (Suhrkamp).


Willke, Helmut (1994): Systemtheorie II. Interventionstheorie. Stuttgart/Jena (Fischer).