Trance

engl. trance, franz. transe f, lat. transire = »hinübergehen, überschreiten«; ist ein spezifischer Bewusstseinszustand, abgrenzbar z. B. zum Schlaf oder dem aktiv nach außen orientierten Wachzustand. Wegen seiner Unterschiede in vegetativer, physiologischer und mentaler Art wird er als »umgeschalteter Zustand« bezeichnet (Johannes H. Schultz, 1848–1970).


Der Mensch erzeugt Trance unter gewissen förderlichen Rahmenbedingungen, so auch im Alltag, z. B. beim in sich gekehrten Nachdenken während der U-Bahn-Fahrt. Die Rahmenbedingungen können gezielt selbst oder durch andere hergestellt und vertieft werden. Sie können sich aber auch unwillkürlich in einer besonderen Situation ergeben. Unser Hirn zeigt in diesem Zustand veränderte Parameter und arbeitet anders. Es erhöht seine Möglichkeit, zu dissoziieren, zu assoziieren, sich zu erinnern, zu markieren, physiologische Parameter zu ändern. Dieser Zustand ist insofern für eine Veränderungsarbeit (z. B. Therapie) sehr interessant, in der es darum geht, mit diesen anderen Hirnmöglichkeiten Denken, Fühlen, Erinnern und seine Wirklichkeit zu erweitern.


Die Bandbreite des Trancezustandes reicht von Tagträumen, Flow- Zuständen bis hin zu tiefer Innenorientierung, in der das Äußere völlig unwichtig scheint. Trancen sind neutral, ihre Inhalte können jedoch gut oder schlecht sein. In einer »Problemtrance« finden wir z. B. die Fixierung bzw. den Tunnelblick auf Problemerleben vor, und anderes wird ausgeblendet. Die Maßnahme der Herstellung von ratifizierten Trance- zuständen heißt »Hypnose«. Trancezustände sind kontextspezifisch (Kontext) zu nutzen. So kann es in einer Beratung darum gehen, die Qualität eines förderlichen Arbeitsklimas, welches Konzentration, freies Assoziieren und Verankern ermöglicht, herzustellen. In der Anästhesie geht es darum, kurzfristige vertiefte Umschaltung zur Schmerzbewältigung und zur Durchführung eines Eingriffs herzustellen, im Selbstmanagement darum, persönliche Ausrichtung zu erreichen. Trancephänomene können als systemische (System) Interaktionsphänomene im jeweiligen Kontext betrachtet werden. Dabei wirken die Systemelemente: Kontexte, Hypnoseanleitende und Tranceproduzierende zusammen. Das sind dann in der Psychotherapie und Medizin der geklärte Kontext, der Behandler und der Patient. Bei der Bühnenhypnose – einem gegenüber dem Phänomen ethisch unvertretbaren Setting, das aber Trancequalität sehr deutlich aufzeigt – wirken entsprechend folgende Systemelemente: Ausnahme- und Amüsierkontext, Magier/Hypnotiseur, Mitspieler, Zuschauer. Im Therapiekontext wurde die moderne Hypnose von Milton H. Erickson (1901–1980) neu geprägt. In seinen vielfältigen Fallbeispielen finden wir viele systemische Interventionen wie Reframing bzw. Umkonnotation (Umdeutung), paradoxe Interventionen, Fokussierungen (Lösungsfokussierung) und insgesamt die sehr bewusste Arbeit mit Suggestionen (Vorstellungen beinhaltenden Angeboten) der Sprache und des Kontextes. Erickson pflegte regen Fachaustausch mit den Systemikern Gregory Bateson (1904–1980), Paul Watzlawick (1921–2007), Jay Haley (1923–2007). Für ihn stellt der Therapeut »einen Rahmen her, in dem der andere sich verändern kann«. Die grundsätzliche Frage ist also: Wie sieht jeweils der angemessene Rahmen für diesen Kontext und diesen Klienten/Patienten aus, und wie wird er zusammen in therapeutischen Feedbackschleifen weiter prozesshaft entwickelt?


In jeder Therapie treten Phänomene auf, die mit Trance einhergehen können. Dies kommt daher, dass die Bedeutsamkeit der Situation erhöht ist, die Aufmerksamkeit fokussiert ist, innere Suchprozesse angeregt werden. In Kenntnis und in der Erfahrung ihrer Phänomene kann man deren Wirksamkeit ausbauen und gezielter nutzen. Stellt man erkundende Fragen – typisch zu sehen an der Wunderfrage von Steve de Shazer, der sich ja dabei auf Erickson bezieht –, kann der Patient sie gar nicht beantworten, ohne sich in eine entsprechende Vorstellung hineinzubegeben, wie es ist, wenn ... oder als ob ... Diese Vorstellung ist ja gerade das therapeutisch Wirksame. Man erkennt eine gute Arbeitstrance an dem damit einhergehenden konzentrierten Ausdruck oder an den auf eine Frage folgenden Suchbewegungen. Die Als-ob-Intervention ist eine Suggestion, die Lösungstrancen bewirken kann. Watzlawick, der sich auch mit Hypnose befasste, bezeichnete sie als seine stärkste Intervention. Lässt der Befragte sich darauf ein, dann merkt man diese Konzentration auch, wie gesagt, an entsprechenden Suchbewegungen. Dann sollte man abwarten können, bis der Gefragte sich wieder der Interaktion zuwendet, bzw. die Geduld haben, weiter nachzufragen, um ihn in diesem Tranceprozess zu halten. Antwortet der Gefragte zu schnell – meist dann abwiegelnd –, konnten noch gar keine Suchprozesse entstehen und noch kein Effekt. Hierfür ist wie bei den meisten therapeutischen Angeboten eine entsprechende »Bühne zu bauen«. Eine »Bühne bauen« heißt, jemanden zum Sich-darauf-Einlassen bereit zu machen, und ist selbst eine tranceinduzierende Maßnahme. Da die Hauptinterventionen des systemischen Arbeitens die Frageinterventionen in ihrer ganzen Vielfalt sind, entstehen hier verwertbare Einsatzgelegenheiten, so z. B. beim zirkulären Fragen (Zirkuläres Fragen) bzw. beim triadischen Erkunden, bei den hypothetischen Fragen (Hypothetisieren), den Fragen nach Unterschieden und Ausnahmen. Auch bei den systemischen Schlussinterventionen treten durch das tranceerzeugende Muster des Vorgehens Dissoziationen auf: Die Sitzung, in die man involviert war, wird unterbrochen; man bekommt Zeit, sich zu sortieren; man hat die Aufgabe für die Pause mitbekommen, das, was in der Sitzung für einen wichtig war, noch mal zu erkunden und danach in die Schlussrunde einzubringen. Unter dieser Fokussierung sortiert »es« sich, d. h., es wird klarer, was die Aufmerksamkeit bekommen hat, und das wird markiert. Betrachtet man Schlussinterventionen unter diesen Prämissen, gewinnen sie durch die dadurch beachtete Markierungsmöglichkeit dieser Bühne zusätzliche Bedeutung.


Ein weites Feld der Trancearbeit ist die Beachtung der Wirklichkeitserzeugung durch Sprache und Kommunikation in ihren mitgeführten Suggestionen. Zwangsläufig entstehen in Sprache und Kommunikation zwischen Klient und Berater bzw. Therapeut Implikationen, die den Prozess bestimmen. Selvini Palazzoli (1916–1999), eine Systemikerin der ersten Stunde, hat die Implikation von Diagnosen insofern aufgeweicht, als sie sich Attribuierungen bzw. Diagnosen immer konkret beschreiben ließ und nur das beobachtbare Tun kommentierte: Er/Sie/ Es »zeigt« sich so (oder so) statt er/sie/es »ist« so (oder so) oder »hat« eine Depression usw.


Weiterführende Literatur


Grinder, John a. Richarf Bandler (1984): Therapie in Trance: Kommunikation mit dem Unbewussten. Stuttgart (Klett-Cotta).


Weinspach, Claudia u. Dan Short (2009): Hoffnung und Resilienz. Therapeutische Strategien von Milton H. Erickson. Heidelberg (Carl-Auer), 2. Aufl. 2010.