Steuerungsdreieck

engl. steering triangle, franz. triangle m de pilotage, ist ein Hilfsmittel, das dazu dient, eine Beratung aus einer Metaperspektive zu planen. Der Begriff wurde von Bernd Schmid entworfen, um Beratern ein Hilfsmittel an die Hand zu geben, sich in komplexen (Komplexität) Situationen besser zu organisieren und ein sinnvolles (Sinn) Design für eine professionelle Dienstleistung zu entwickeln. In komplexen Auftragslagen müssen wir uns Gedanken machen, wie wir das Problem definieren, wen wir in den Beratungsprozess einbeziehen oder außen vor lassen und wie wir schließlich das gesamte Vorhaben benennen, welche Methoden wir wählen und welche Rolle wir als Berater einnehmen. Folgende drei Ebenen werden im Steuerungsdreieck unterschieden (siehe Abb.).


steuerungsdreieck


Die erste Ebene (Problemdefinition) fokussiert die Frage, was als das Kernthema im Sinne der zu verändernden Ausgangssituation betrachtet werden soll. Der Berater stellt sich diese Frage, wenn er erfragt, was den Klienten bzw. die beteiligten Personen bewegt, worunter sie leiden, was sie verändern wollen und wie ihre Lösungen aussehen. Kurz: Wie beschreibt der Berater angesichts der Erzählung des Klientensystems (System) das Problem, und unter welchem Fokus betrachtet er es und die angestrebte Lösung? Im Sinne des Konstruktivismus ist sich der Berater dabei bewusst, dass es sich bei seiner Sichtweise um eine Wahl handelt, d. h. immer auch andere Sichtweisen möglich sind.


Die zweite Ebene ist die des Klientensystems und des dazugehörigen Umfeldes. Wen betrachtet der Berater als relevantes Bezugssystem für den Veränderungsprozess, welche Personen sollten behandelt werden, wer soll einbezogen werden, wer soll zumindest durch zirkuläre Befragung hypothetisch (HypothetisierenZirkuläres Fragen) einbezogen werden? Wer im Umfeld ist sonst noch bedeutsam für die Entwicklung einer Lösung der als relevant angesehenen Problemdefinition?


Die dritte Ebene bezieht sich auf die Methoden und Rollen, die der Berater/Therapeut (BeratungTherapie) wählt (in etwa: es geht um das Wie). Benötigt ein Klient/das Klientensystem eher ein Training oder psychotherapeutische Hilfe (Helfen)? Wäre Coaching sinnvoller oder Teamentwicklung, geht man von einer Kurzintervention (Intervention) aus oder einem längerfristigen Prozess? Ist es sinnvoll, viele Fragen zu stellen, damit der Klient/das System seine Lösungen selbst findet, oder könnte es hilfreicher sein, durch das Anbieten von neuen Sichtweisen eine bessere Orientierung zu geben? Je nach gewählter Problemdefinition erscheinen unterschiedliche professionelle Handlungen und der Einbezug unterschiedlicher Klientensysteme als sinnvoll.


Mit der Idee des Steuerungsdreiecks erhält der Berater eine Orientierung, die es ihm ermöglicht, aus einer Metaposition auf ein Beratungs-/ Therapiegeschehen zu schauen und die Struktur und das Vorgehen in einem Beratungsprozesses zu überblicken und mitzugestalten. Manchmal gibt es auch vonseiten der Klienten bzw. des Auftraggebers bereits genaue Vorstellungen von der Form der Unterstützung, die bei genauerer Prüfung eher zu mehr Verstrickungen als zur Lösung beitragen. Möglicherweise ergibt sich aus der Überprüfung ein vom Klientenwunsch abweichendes Design, das zur Bewältigung der Probleme sinnvoller ist. Für den Berater stellt sich die Aufgabe, in seiner professionellen Selbstorganisation ein Beratungsdesign zu entwickeln, das die drei Perspektiven sinnvoll aufeinander bezieht. Berater und Therapeuten können das Steuerungsdreieck verwenden:


• um für sich eine Struktur zu haben, mit der sie die Klienten befragen können, welche Vorstellung sie für die Hilfe (im Sinne des Therapiedesigns) mitbringen;
• um bei komplexen Themen für sich ein Ordnungsraster zu haben, mit dem sie ihr Beratungs- bzw. Therapieangebot strukturieren können;
• um die Vorstellungen des Klienten bezüglich seines Beratungsbedarfs und eigene Konzeptualisierungen wie zwei Folien übereinanderzulegen, damit Unterschiede wahrgenommmen und offen ausgesprochen werden können;
• um bei mehreren Auftragsgebern die Übersicht zu bewahren und alle vorhandenen Folien miteinander zu vergleichen; solche Situationen entstehen dort, wo die Klienten nicht nur aus eigenem Antrieb kommen, sondern fürsorgliche Instanzen die Behandlung fordern oder finanzieren und ein eigenes Interesse in die Behandlung hineintragen.


Hierzu ein Beispiel: Eine Mutter beklagt sich in der Beratung über ihren unkonzentrierten Sohn und seine schlechten Schulleistungen. In dieser Situation sind sehr unterschiedliche Designs denkbar: Die Problembeschreibung könnte so aussehen, dass das Kind in der Schule überfordert ist. In diesem Fall könnte der Berater/Therapeut in die Rolle eines Experten gehen und vorschlagen, dass er das Kind zunächst testet, um seinen Entwicklungsstand zu erfassen und Lehrerin und Mutter bezüglich angemessenerer Anforderungen anzuleiten bzw. ihnen vorzuschlagen nach einer passenderen Beschulung zu suchen. Vielleicht war das Kind auch schon immer unruhig und man erwägt »endogene« Faktoren. Dann kämen eine medikamentöse Behandlung und eine begleitende Beratung der Eltern (Elternschaft) infrage. Seine Rolle wäre die eines Fachmannes, der die Medikation selbst verschreibt (falls er Arzt ist) oder das Kind zu einem entsprechenden Fachmann überweist. Die Methode wäre Aufklärung der Eltern und Entlastung von den Selbstvorwürfen. Als Zielgruppe (Gruppe) kämen das Kind, beide Eltern und die Lehrerin infrage. Der Berater könnte auch den Eindruck gewinnen, dass die Mutter – auch aufgrund eigener biografischer Erlebnisse – inadäquat mit ihrem Kind umgeht. Das Beratungsdesign würde in diesem Fall im Kern auf eine Arbeit mit der Mutter abzielen. Der Berater/Therapeut wäre in einer beratenden und psychotherapeutischen Rolle. Definiert der Berater das Problem so, dass die Mutter schwer belastet ist, weil ihr Mann kaum zu Hause ist und, wenn er zu Hause ist, sich hinter dem Schreibtisch oder an den Stammtisch zurückzieht, könnte man das Verhalten des Sohnes als Rebellion gegen diese Situation verstehen (Verstehen). In diesem Fall würde der Berater dem Ehepaar (Paar) therapeutische Gespräche anbieten und nur bei Bedarf den Sohn einbeziehen. Oder der Berater gewinnt den Eindruck, dass der Sohn besonders auffällig ist und nicht nur im häuslichen, sondern auch in anderen Bereichen die Menschen mit seinen Provokationen vor besondere Herausforderungen stellt. Die Eltern sind sehr bemüht, haben vieles probiert, bislang aber keine Strategie gefunden, wie sie die Eskapaden des Sohnes besser in den Griff bekommen können. In diesem Fall könnte der Berater dem Sohn eine Spieltherapie und den Eltern begleitende Beratungsgespräche anbieten, in denen nach neuen und bislang unversuchten Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Verhalten des Sohnes gesucht wird.


Analog lässt sich das Steuerungsdreieck im Organisationsbereich anwenden: Definiert ein Berater ein Kommunikationsproblem im Team etwa als Beziehungsproblem zwischen den Teammitgliedern, wird er als Klientensystem das Team und als Methode die Teamentwicklung wählen (siehe auch Teamarbeit). Sieht er das Problem in mangelnder Führungskompetenz des Teamleiters, wird er ihm ein Coaching anbieten. Fasst er das Teamproblem als Reflex mangelnder Strukturen in der Organisation auf, wird er mit dem Organisationsverantwortlichen arbeiten, und sein Angebot bestünde in einer Organisationsentwicklungsmaßnahme.


Verwendete Literatur


Klein, Rudolf u. Andreas Kannicht (2009): Einführung in die Praxis der systemischen Therapie und Beratung. Heidelberg (Carl-Auer), 3. Aufl. 2011.


Schmid, Bernd (2003): Systemische Professionalität und Transaktionsanalyse. Bergisch Gladbach (EHP).