Humor

engl. humor, franz. humour m, von lat. (h)umor m = »Feuchtigkeit, Flüssigkeit«. Dahinter steckt die Idee, dass das rechte Maß an Körperflüssigkeiten den Körper gesund erhält. Es gibt keine wissenschaftlich exakte Definition von Humor. In der Psychologie und Medizin hat man sich darauf geeinigt, von »sense of humor« oder »Heiterkeit« zu sprechen. In der Forschung über Humor und Lachen – der Gelotologie (von griech. gelos = »lachen«) – ging es vor allem um die körperlichen Auswirkungen von Humorreaktionen. Humor passt gut zur systemisch-lösungsorientierten (System; Lösung) Denk- und Handlungsweise, zur konstruktivistischen Sicht auf die »Wirklichkeit« und zum Konzept der Irritabilität (Irritation). Wir haben jeden Tag die Chance, unsere Wirklichkeit neu zu konstruieren und humorvoll zu konnotieren. So ist es auch kein Zufall, dass William F. Fry, der Gründer des ersten Instituts für Humorforschung am Mental Research Institute in Palo Alto, ausgerechnet mit der bekannten Forschungsgruppe (Gruppe), bestehend aus Gregory Bateson, Virginia Satir, Jay Haley, John Weakland und Paul Watzlawick, zusammenarbeitete (Bauer 2010).


Was heißt professioneller Einsatz von Humor in der systemischen Beratung und Therapie? Beratende und Ratsuchende lachen gemeinsam über Symptome (Symptomträger), problematische Verhaltensweisen oder über widrige Kontextfaktoren. Lachen befreit und hilft, gewohnte Interaktionsmuster zu verlassen und aus neuen Perspektiven Lösungen zu erfinden. Hier zeigt sich, dass Humor sehr gut in die lösungs- und ressourcenorientierten (Ressource) Konzepte – vor allem vertreten durch Milton Erickson, Steve de Shazer und Insoo Kim Berg – integriert werden kann.


Wenn wir von Humor als Methode in der systemischen Praxis sprechen, geht es um zwei Aspekte: zum einen darum, wie wir während der Beratung und Therapie eine humorvolle, positive Grundstimmung schaffen können, und zum anderen darum, wie die Beteiligten in kurzer Zeit ihren Humor als Ressource für die Bewältigung ihrer Probleme und zur Erreichung ihrer Ziele aktivieren können. Wie kann das gelingen? Eine sehr nützliche Methode ist das Erstellen einer Humorbiografie mit Einzelpersonen oder auch Familien – eine Form der Biografiearbeit, die ihren Schwerpunkt auf der Aktivierung des Humors der Ratsuchenden hat. Wir stellen dabei Fragen zu ihrer Geschichte, die auf ihren Humor und ihr Lachen fokussieren, z. B.: »Jetzt gehen wir deinem Humor, deinem Lachen auf die Spur. Was hat dir als Kind, als Jugendlicher Spaß gemacht? Über was hast du gelacht? Mit wem? Welche Bilder fallen dir ein, Situationen, in denen es recht lustig zugegangen ist? Welche Personen haben dabei eine Rolle gespielt haben? Wer war dir ein Vorbild darin, Situationen lachend oder schmunzelnd und mit Humor zu meistern? Wo hat dir dein Humor geholfen hat? Welche Idee hast du noch, wie dein ganz persönlicher Humor entstanden ist? Wie hat sich dein Humor im Erwachsenenalter verändert?« Usw. Die Antworten können auf einer sogenannten HumorMap©, einer auf der Mind-Mapping-Methode basierenden Darstellungsform von Aspekten aus der Humorbiografie, festgehalten werden (Bauer 2010).


Der folgende Ressourcencheck zielt mehr auf den aktuellen Kontext der Person: »Mal angenommen, du hättest eine wohlwollende Begleitung, deren Aufgabe es ist, dich privat und beruflich zu beobachten. Was würde sie dir zu deinem Humor zurückmelden? Was würde deine Begleitung sagen, wann du deinen Humor gut nutzt? Wann du andere damit ansteckst? Was würden sie dir raten, wie und wo du deinen Humor noch mehr nutzen könntest?«


Ein anschließendes Ressourcen- und Zielinterview kann auch in das von Bauer und Hegemann (nicht nur) für Jugendliche entwickelte Ich- schaffs!-Programm integriert werden. Mögliche Schritte:


1) Stell dir vor, alles wird leichter in deinem Leben, lockerer, humorvoller ... Stell dir vor, du reist in diese gute Zukunft ... Du hast viel Freude im Leben, du bist fröhlich und gut gelaunt, lachst viel. Mal dir diese gute Zukunft aus!
2) Such dir ein Projekt aus, setze dir ein Ziel, und finde dafür einen Projektnamen!
3) Wo, wie und wann genau wirst du dein Projekt realisieren?
4) Welchen Nutzen hast du davon? Welchen haben andere?
5) Finde Sätze, Mottos, Symbole, Helfer und Helferinnen, die dich auf deinem Weg unterstützen können!
6) Plane konkrete Schritte, und trage deine Erfolge bei der (Re-)Aktivierung deines Humors in ein Logbuch ein.


Ein derartiges Ich-schaffs!-Projekt zur Aktivierung von Humor kann auch mit Familien und Gruppen durchgeführt werden (Bauer u. Hegemann 2008).


Folgende Interventionen aus der lösungsorientierten und »provokativen« (Farrelly 1989) Therapie sind in der professionellen Arbeit mit Humor sehr gut geeignet: Verschreibung des Symptoms, Herausarbeiten des sekundären Krankheitsgewinns durch Ausschmücken des Nutzens dank des bisherigen Problemverhaltens; Warnung vor der Zukunft durch Bestätigung der Nachteile einer möglichen Veränderung; Reframing (positives Umdeuten des Symptoms; Umdeutung) und Herstellen einer kooperativen Perspektive durch Finden positiver Motive für das bisherige Verhalten. Auch bewähren sich das Ausmalen des Symptoms über Metaphern, das Nachspielen von Symptomen, das »Größermachen« von Symptomen (siehe Clowntheater) oder das Verwenden von Geschichten, Sprichwörtern, Anekdoten und Witzen. Wichtigste Voraussetzung für das Gelingen der Arbeit mit Humor sind zum einen die systemischen Grundhaltungen der Wertschätzung, Neugier und Neutralität und zum anderen der »wirklich gute Draht« zu den Ratsuchenden. Dabei werden die aktuelle Situation, der Kontext der Beratung oder Therapie, die emotionale Betroffenheit bei bestimmten Themen, das Alter und die kognitive Entwicklung von Kindern/Jugendlichen, die kulturellen Hintergründe der Beteiligten und auch die Genderfrage beachtet.


Verwendete Literatur


Bauer, Christiane (2010): »Das wäre doch gelacht!« – Humor als Ressource in der Beratung und Therapie von Familien. Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung 28 (4): 160–166.


Bauer, Christiane u. Thomas Hegemann (2008): Ich schaffs! – Cool ans Ziel. Das lösungsorientierte Programm für die Arbeit mit Jugendlichen. Heidelberg (Carl-Auer), 7. Aufl. 2021.


Farrelly, Frank (1989): Provocating therapy. Cupertino, CA (Meta Publishing).


Weiterführende Literatur


Salameh, Waleed Anthony (2007): Humor in der integrativen Kurzzeittherapie. Stuttgart (Klett-Cotta).


Trenkle, Bernhard (1994): Das Ha-Handbuch der Psychotherapie. Witze – ganz im Ernst. Heidelberg (Carl-Auer), 10. Aufl. 2017.


Titze, Michael (2006): Die Humorstrategie. München (Kösel).